Untersuchungen an Byssusfäden

Geschätzte Lesezeit ca. 6 Minuten

Aus unerklärlichem Grunde nahm ich heute schließlich die Materialprobe vom Rahmen des Volto Santo in die Hand, öffnete das kleine Probedöschen und begann mit der mikroskopischen Untersuchung jenes Fadens, den ich mit Erlaubnis von P. Carmine am Karfreitag Abend vom Reliquiar des Volto Santo, genauer vom inneren Holzrahmen, hatte entfernen dürfen.

Wegen der weißen Farbe, des etwas "widerborstigen" Aussehens und der scheinbaren "Härte" dachten wir immer, es handele sich um Material, das zur Fixierung verwendet wurde und nichts mit dem Schleiergewebe zu tun hat. Ich hatte dem kleinen Probedöschen, das ich auf meinem Mikroskop abgestellt hatte, seither keine weitere Beachtung geschenkt. Irgendwann einmal wollte ich es mir in Ruhe ansehen. Warum ich es heute auf einmal in die Hand nehmen und untersuchen musste, obwohl ich diesen Tag für den Beginn der Ikone des hl. Erzengels Michael vorgesehen hatte, weiß ich wirklich nicht. Ich fand mich einfach über dem Mikroskop sitzend vor - und sollte es für den Rest des Tages bleiben.
Inzwischen sind Zeichnungen entstanden, einige vergebliche Telefonate ausgeführt, viele Gedanken hin und her erwogen. Der Tag besorgte mir die gleiche Aufregung wie jener Abend des 18. Juli 2004 als ich zum ersten Mal Muschelfäden studierte und der Verdacht sich erhärtete, dass das Material des Schleiers aus ähnlicher Substanz sein musste. Heute hatte ich nun tatsächlich einige Fasern vom Reliquiar des Volto Santo unter dem Mikroskop. Ich konnte es nicht so recht glauben. Täuschten mich meine Augen nicht? Ich nahm mir vor, langsam und immer wieder die Fasern durchzugehen. Es bestätigte sich immer wieder: Unter den Augen hatte ich durchsichtige, schlauchartige, abgeflachte Fäden mit glänzender Oberfläche und wulstigem Rand, wie Schläuche, aus denen die Luft verschwunden ist! Ich dachte, es sieht wahrhaftig aus wie Byssus!
Nächster Arbeitsgang war dann der Vergleich mit dem mir zur Verfügung stehendem Byssusmaterial. Zum Glück hatte ich da einiges zur Hand, da Frau Chiara Vigo, die einzige noch im Handwerk arbeitende Byssusweberin und -meisterin, mir Proben aus verschiedenen Epochen hier gelassen hatte:
1.) von San Antiocho aus jüngster Zeit, um 2000 herum;
2.) aus Taranto vom Jahre 1840,
3.) von einer Mumie aus San Antioco aus dem ersten Jahrtausend vor Christus.
Das Ergebnis: Alle drei Proben zeigten dasselbe Bild: Abgeflachte, durchsichtige "Schläuche" mit glatter, glänzender Oberfläche und kristallförmigen Ablagerungen entlang den Fasern, über die ganze Oberfläche hin. Einziger Unterschied: Bei der jüngsten, Probe aus der Zeit nach 2000 waren nur wenige Fasern "ausgebeutelt", flach, die Mehrzahl zeigte sich prall, rundlich, aber ich fand Stellen, die durchaus dem Bild des älteren Byssus entsprachen; wenigstens im Ansatz.
Nachdem ich mich also auf diese Weise in das Aussehen des Byssus neu eingesehen hatte, begann ich immer im Wechsel Byssusfasern und Volto Santo Fasern zu betrachten. Und ich bedauerte, dass ich keine Digitalkamera besitze, um diese Bilder aufnehmen zu können. So fing ich, wie bei der Ikone vor 30 Jahren, die ich unbedingt für mich haben wollte, mit dem Zeichnen an. Wenigstens auf diese Weise möchte ich das Ereignis des Tages festhalten. Ich nehme diese Zeichnungen mit in den Bericht auf.

Zu Abbildung 1:
Einzelfaser vom Faden des Volto Santo, der aus dem Holzrahmen des Reliquiars herausragte (entnommen am 6. April 2007, Karfreitag);
Durchsichtiger, abgeflachter, schlauchartiger Faden mit glänzenden, wulstigen Rändern und kleiner, körniger, kristallartiger Substanz auf der ganzen Oberfläche.

Zu Abbildung 2:
Verschiedene Fasern am oberen Knick des Fadens: Es bietet sich auch hier das gleiche Bild. Die Fasern erscheinen wie transparente, "luftentleerte" Schläuche, die an den wulstigen Rändern eigentümlich glänzen und von Kleinstkristallen übersät sind. Handelt es sich hier um das Salz, das auf seine Herkunft aus dem Meer hinweist?

Zu Abbildung 3:
Faser einer Mumie aus San Antiocho aus dem ersten Jahrhundert vor Christus: Die Fasern dieser Probe zeigen sich bedeutend dicker, haben aber gleiche "Struktur", nämlich die eines abgeflachten, z.T. silber- bis goldglänzenden, durchsichtigen Schlauches, der mit Kleinstkristallen übersät ist.

Zu Abbildung 4:
Byssusfasem aus dem Jahre 1840, Universität Bari bzw. aus der Region um Taranto: Sehr ähnliches Bild wie beim Volto Santo Faden, nur erheblich weniger Kristalle.

Zu Abbildung 5:
Fasern einer Probe nach dem Jahre 2000:Diese Fasern scheinen "jung" im Verhältnis ZU den anderen Proben; die Fasern sind wie prall, rundlich, goldglänzend oder auch silbrig weißlich, mit wenigen bereits abgeflachten Abschnitten. Diese wenigen aber zeigen deutlich, dass es sich um das gleiche Material handelt. Es sind durchsichtige "Schläuche" und auch hier fehlen die Kristalle nicht.

Schlussfolgerung:
Auf Grund dieser heutigen Beobachtungen glaube ich sagen zu dürfen, dass der vom Holzrahmen des Volto Santo entnommene Faden nichts anderes ist als Meeresbyssus, und zwar sehr alter.
Herr Dr. Sellner, Dermatologe aus Österreich, der ebenfalls diese Vergleichsproben mit einem Auflichtmikroskop untersucht hat, sprach am Telefon von einer möglichen Alterung des Byssus, die höchstwahrscheinlich eine Altersbestimmung zulasse, es bedürfe nur noch einiger anderer Vergleichsproben, z. B. aus dem XV. oder XVI. Jahrhundert. Nach meinen heutigen Beobachtungen meine ich, diese "Alterung" in den untersuchten Byssusfasern ebenfalls erkennen zu können, und ich erkenne auch, dass der Faden vom Reliquiar des Volto Santo zu einer sehr alten Variante gehören muss auf Grund der deutlichen Abflachung der Fasern. Ich hoffe nun, dass eine redliche Weise der Untersuchung gefunden wird, verlässliche Institute, die das Material prüfen.
Vielleicht ist es jetzt die Stunde der BAM in Berlin; außerdem sollte ein Institut in Rom gefunden werden, und evtl. auch jenes in Turin, für das Piero Vercelli Kontaktperson sein könnte, den ich heute schon gesprochen habe. Er machte diesen Vorschlag. Am liebsten wäre mir ein Termin, bei dem ich selbst dabei sein könnte und die Probe nicht aus der Hand zu geben brauchte, nur während der Untersuchung und der Fotoaufnahmen. Man könnte aber auch einige Fasern der jeweiligen Proben nummeriert, ohne Angabe der Herkunft, auf Objektträgern fixiert, an drei verschiedene Institute geben mit dem Auftrag, Auflichtmikroskopie und Dokumentation durchzuführen. Dann könnte man nachher vergleichen.
Ich kann nicht anders als heute, am monatlichen P. Pio Gedenktag, dem 23. des Monats April, für diese besondere Fügung und Entdeckung Gott, unserm Herrn zu danken, der sicher unter Mitwirkung seines Dieners meine Hände lenkte und mich diese für mich schon etwas aufregende Entdeckung machen ließ. Ich war sehr beschämt und dachte immerzu: Ich Blinde und Taube muss hier diese unglaublichen Dinge sehen, ich hier ganz alleine! P. Carmine wollte es nicht sehen, er hatte keine Zeit zu kommen, sagte er gegen 20 Uhr. Ich hatte um halb drei angerufen. Nun ja, es interessiert halt nicht besonders.
Ich aber sage: Danke, Herr, danke!
Paul (Badde), den ich um 18 Uhr anrief, meinte: Der Bischof muss es wissen! Und versprach, eine Mail zu schicken. Das ist der offizielle Stand heute Abend, 23. 04. 07, um 22.25 Uhr.

Jesus, Sohn des lebendigen Gottes, erbarme Dich meiner! Und Dein Name sei gepriesen in Ewigkeit!

Tagebuch - Eremo Santa Maria, Manoppello, 23.04.07
Blandina Paschalis Schlömer

Drucken E-Mail

Zurück zur Artikelübersicht "Forschung"   zurück >> Forschung