Brief eines Historikers an das ZDF
Dr. Helmut Pflüger
Studiendirektor i.R.
27. April 2007
An die Programmdirektion des ZDF
Postfach 40 40
55100 Mainz
Sendung vom Karfreitag, 6. April 2007
"Das Wahre Bild Christi"
Sehr geehrte Herren!
Mit Interesse habe ich die Sendung des ZDF "Das Wahre Bild Christi" am Karfreitag angesehen. Ist es doch eine der wenigen Sendungen, die die Thematik dieses zusammen mit Ostern höchsten Feiertages der Christenheit aufgreift, wo die meisten Sender diesen Tag übergingen, als ob er überhaupt keine Bedeutung mehr habe. Insofern möchte ich dem ZDF meine Zustimmung ausdrücken für die Initiative, über ein Thema, das mit Christus zu tun hat, eine Sendung vorzubereiten. Leider war die Gestaltung dieser Sendung doch mit einigen nicht unwesentlichen Mängeln behaftet, die ich Ihnen im Einzelnen darlegen möchte.
Die Sendung schließt mit einer Bildsequenz über einen auf Initiative des ZDF am 26. Januar 2007 in Manoppello veranstalteten Kongress von Experten über das rätselhafte in Manoppello aufbewahrte Schleierbild, die als "Moment der Wahrheit" angekündigt wird. Von den "stundenlangen" Untersuchungen der Experten erfährt man überhaupt nichts. Man sieht nur ein vergrößertes Bild von braunem Gewebe, auf dem ein winziger weißer Fleck nach Meinung von Prof. Giulio Fanti (Padua) beweisen soll, dass das Bild mit Farbe gemalt sein soll und damit, nach Meinung des Kommentators "neue Erkenntnisse (bringt), die die Kontroverse um den Volto Santo teilweise beenden können".
Ein korrekter Bericht über einen Expertenkongress verlangt aber, dass die Stellungnahme aller eingeladenen Experten zu dieser "Enthüllung" wiedergegeben wird und nicht bloß ein allgemeines, lange vor dem Kongress aufgezeichnetes Statement von Prof. Heinrich Pfeiffer (Rom). Sonst hätte man einen Kongress gar nicht einberufen und finanzieren brauchen. So bleibt der Bericht über diesen Kongress unvollständig und einseitig. Statt echte Informationen über die Argumente von Experten zu erhalten, muss der interessierte Zuschauer ohne Hilfe der geladenen Experten die Stichhaltigkeit der von dem Kommentator vorgebrachten Schlussfolgerung überprüfen.
Da ich meine Analyse nicht unbelegt in den Raum stellen möchte, gebe ich zunächst den genauen Titel der am häufigsten zitierten Bücher mit den von mir gewählten Abkürzungen an:
- Werner Bulst/Heinrich Pfeiffer, Das Turiner Grabtuch und das Christusbild, Band II Das echte Christusbild, Verlag Josef Knecht, Frankfurt/Main 1991; (abgekürzt: Pfeiffer S.)
- Paul Badde, das Göttliche Gesicht, Die abenteuerliche Suche nach dem wahren Antlitz Jesu, Pattloch Verlag München 2006; (abgekürzt Badde S.)
- Volto Santo, das heilige Antlitz Jesu in Manoppello, DVD-Film von Josef Läufer, 78098 Triberg, Schulstraße 6; (abgekürzt Läufer DVD).
Die am Ende der ZDF-Sendung gezogene Schlussfolgerung, dass der Schleier von Manoppello mit Farbe bemalt sei, erscheint zumindest vorschnell, denn sie passt nicht zu den folgenden Beobachtungen, die man am Objekt während der Sendung und an anderen DVD-Dokumentationen machen kann.
Wie in zwei vorausgehenden Bildsequenzen gezeigt wird, schimmert Muschelseide in auffallendem Schräglicht goldbraun, dessen Glanz erst durch mehrmaliges Kämmen erreicht wird. Der gezeigte vergrößerte Ausschnitt mit dem weißen Fleck zeigt aber auch nur goldbraune Fäden. Der Kommentar, dass der weiße Fleck dadurch entstanden sei, dass beim Bemalen diese Stelle keine Farbe abbekommen habe, weil ursprünglich dort ein Kettfaden (oder Schussfaden, die Richtung des Gewebes wird nicht angezeigt, ist aber belanglos, da es sich um ganz simples Geflecht handelt) durch den jetzt verrutschten Schuss- (oder Kett)faden verdeckt gewesen sei. Hier sind gleich zwei Fehler zu beanstanden: der darüber liegende Schussfaden ist kerzengerade, kann also gar nicht verrutscht sein. Mit welcher Farbe soll denn ein goldbraun im Schräglicht schimmerndes Gewebe bemalt sein? Heißt das nicht Eulen nach Athen tragen?
Für den weißen Fleck muss also eine andere Erklärung gesucht werden. In der Sendung wird der ehemalige in der Sakristei der Peterskirche Rom aufbewahrte leere Bildrahmen gezeigt, aus dem das jetzt in Manoppello aufbewahrte Bild gewaltsam herausgebrochen wurde. Von den ursprünglich zwei Bergkristallscheiben, die das Bild vor Staub etc. schützten, ist nur noch eine vorhanden, allerdings in fünf Scherben zersprungene im Rahmen, die andere (Rückseite) fehlt ganz mit deutlichen Spuren der Gewaltanwendung am Holzrahmen. Andererseits "muss (man) auch an den merkwürdigen dicken Kristallsplitter im Rahmen von Manoppello denken, rechts unter dem Gesicht" (Badde S. 101).
Bei entsprechendem Lichteinfall strahlen die zwei genannten weißen Punkte wie Sterne auf dunklem Hintergrund, scheinen also Bergkristallsplitter vom ursprünglichen Rahmen zu sein.
Bei der Betrachtung der in den Büchern von H. Pfeiffer und P. Badde abgedruckten Bilder des Schleiers fallen weiße Punkte auf, die man zunächst für Fehler im Aufnahme- bzw. Druckmaterial halten könnte. Zwei davon sind besonders auffällig: verso über dem rechten Mundende und an der linken Nasenwurzel (Pfeiffer, Bild 30). Sie erscheinen auch spiegelverkehrt bei zwei Farbbildern recto (Badde). Das Auffällige dabei ist, dass diese Punkte nicht auf allen Aufnahmen sichtbar sind, sondern je nach den Lichtverhältnissen bei den einzelnen Aufnahmen ganz verschwinden. Die gleiche Beobachtung kann man bei genauer Betrachtung der in der Sendung gezeigten Aufnahmen des Antlitzes von Manoppello machen, da sie nicht alle vom gleichen Standpunkt aus gemacht wurden, also der Reflexionswinkel des einfallenden Lichtes verschieden ist, so dass entweder keine weißen Punkte zu sehen sind oder solche an jeweils anderen Stellen des Gesichtes. Noch deutlicher ist dieses Phänomen zu beobachten in der DVD-Läufer, da das Gesicht mit bewegter Kamera abgetastet wurde und die Reflexionspunkte auf dem Gesicht regelrecht wandern.
In der Großaufnahme von G. Fanti sind zwei nahe beieinander liegende weiße Punkte zu sehen, wovon der eine Kettfaden, der unter dem Schussfaden durchläuft, angeblich keine Farbe beim Bemalen mitbekommen haben soll und deshalb beim Verrutschen des darüber liegenden Schussfadens eben den nicht eingefärbten Scheitel der Fadenwölbung den Blicken preisgebe. Abgesehen davon, dass die Naturfarbe des Byssus ein helles Braun ist und zudem ein Verrutschen des darüber liegenden Schussfadens gar nicht stattgefunden haben kann, da er kerzengerade über mehrere Kettfäden läuft, passt die Schlussfolgerung von G. Fanti nicht zu dem weißen Fleck eines ganz in der Nähe liegenden Schussfadens, der nicht unter einem Kettfaden gelegen hat. Dieser weiße Fleck ist eindeutig als Lichtreflex auszumachen. Warum sollte der von G. Fanti aufgezeigte weiße Fleck kein Lichtreflex sein, wo doch überall winzige weiße Lichtreflexe zu sehen sind, bedingt durch die hauchdünnen Fäden, die zu spinnbaren Fäden zusammengesponnen worden sind und deshalb eine unregelmäßige Oberfläche dem gesponnenen Faden verleihen? P. Badde (S. 49) beschreibt die Wirkung des Bildes unter verschiedener Beleuchtung. Wichtig ist vor allem folgende Feststellung: "Unter den polarisierten Strahlen sog. Wood-Lampen reagiert es so unempfindlich, als würde es nicht den üblichen Naturgesetzen gehorchen." Das lässt sich nur durch die irisierende Lichtreflexion der kristallinen Struktur der Byssusfäden erklären.
Die verschiedenen Fotos sowohl in den Büchern von P. Badde als auch von H. Pfeiffer zeigen verschiedene Farbwerte. Das kann nicht am Aufnahmematerial oder an den Druckplatten liegen. Denn die gleichen Farbunterschiede kann man auch innerhalb einiger Bildsequenzen sowohl der Fernseh- als auch der DVD-Läuferaufzeichnung beobachten. Es entsteht sogar der Eindruck, als ob das Gesicht sich innerhalb des Rahmens nach rechts oder links verschiebe (wohlgemerkt bei Frontalaufnahmen). Das alles kann nur durch Veränderung des Reflexionswinkels bei Veränderung des Einfallswinkels der Lichtquelle bewirkt werden. Das gleiche Phänomen kann man am Hals des Grauflügeltrompetervogels (Berlin, Zoologischer Garten) beobachten. Die Federn dieses Vogels erscheinen mit Ausnahme der grauen Flügel vollkommen schwarz. Je nach Lichteinfall leuchten aber die Federn am Halsansatz in einem hellen sehr farbintensiven Blauviolett auf. Welche Farbe die Federn wirklich haben, kann man, ohne eine Feder in der Hand zu haben, nicht feststellen. Diese Farbänderung kann nur durch Veränderung des Reflexionswinkels bei Veränderung des Einfallswinkels der Lichtquelle bewirkt werden. Dieses Phänomen ähnelt einem Hologramm, wie es auf dem Sicherheitsstreifen jedes Eurogeldscheines zu beobachten ist. Je nach Lichteinfall sieht man nur einen Silberstreif oder in den in sich verschlingenden Ellipsen eine Zahl oder das Eurozeichen, und zwar jeweils in den verschiedensten Farben der Regenbogenskala aufleuchten. Im Gegenlicht sieht man nur einen dunklen Streifen mit hellem farblosen Eurozeichen in dem Überschneiden der Ellipsen. Ein Regenbogen erst kommt dem Phänomen des Schleiers von Manoppello schon näher. Vollkommen farbloses Wasser leuchtet im Rückenlicht in allen Regenbogenfarben, "wandert" mit dem Betrachter und ist im Gegenlicht vollkommen verschwunden (= durchsichtig weiß). Natürlich ist dieses Phänomen beim Schleier von Manoppello abgemildert. Es wird nicht die ganze Farbskala ausgestrahlt, und die "Wanderungen" innerhalb des Rahmens sind minimal im Vergleich mit den "Wanderungen" eines Regenbogens. Aber eines haben beide Phänomene gemeinsam: völlige klare Durchsicht im Gegenlicht. Das Bild ist verschwunden. Stattdessen sieht man völlig klar und detailliert den Kopf von Gerhard Wolf und Leute, die in der offenen Kirchentür (ca. 30 Meter Entfernung) stehen, bis auf einen wichtigen Unterschied. Die oberen Ecken des Bildes rechts und links sind weder durchsichtig noch hell, sondern grau. Es handelt sich um nachträglich angestückte Schrägecken aus echter Seide, die vermutlich angestückt wurden, als der Schleier aus der Capella Sanctorum des Lateranpalastes von dem Brett gelöst wurde, auf das er geklebt war, um in den um 1350 geschaffenen Rahmen mit zwei Bergkristallscheiben, die eine beiderseitige Betrachtung erlauben, übertragen zu werden. Dieser Rahmen, der heute leer und beschädigt in der Sakristei des Petersdomes aufbewahrt wird, wurde in der ZDF-Sendung auch gezeigt (vgl. auch Pfeiffer S. 54 und 68). Ich habe bei Bekannten gazeartige Vorhänge gesehen, die auf den ersten Blick dem Schleier von Manoppello ähneln: seidenglänzendes durchsichtiges hauchdünnes Gewebe, farblos weiß aber gemustert mit gelben Streifen, die im Gegenlicht lichtdurchlässig sind, aber gelb bleiben dank der tatsächlichen Färbung dieser Partien des Vorhanges. Dies ist der entscheidende Unterschied. Der Schleier von Manoppello hat im Gegenlicht überhaupt keine Farbe, im darauf fallenden Licht eine viel dunklere und intensivere Farbe als die beschriebenen Vorhänge.
G. Fanti führt die Durchsichtigkeit auf die Zwischenräume zwischen den einzelnen Fäden zurück. Dies kann aber keine vollständige Erklärung sein. Auf den stark vergrößerten Aufnahmen des G. Fanti ergibt sich ein Abstand der Fäden voneinander von 1-1,5-fach der Fadendicke. Nimmt man ein beliebiges Quadrat als Rechenbeispiel heraus und berechnet die nicht durch die Fäden eingenommene Fläche, so ergibt sich bei einem Abstand der Fäden von einfacher Fadendicke nur ein Viertel, bei einem Abstand der Fäden von anderthalb Fadendicke nur die Hälfte der der Berechnung zugrunde liegenden Fläche. Die Lichtdurchlässigkeit wäre auf ein Viertel, bestenfalls auf die Hälfte reduziert und würde in einen Grauton absinken, wie bei den angestückten Ecken aus echter Seide, und eine klare Durchsichtigkeit wäre nicht mehr möglich. Dem entspricht nicht der Befund der ZDF-Aufzeichnung - Blick durch das Bild zur geöffneten Kirchentür - , der einen Vergleich zulässt zwischen dem ungefilterten Licht außerhalb des Rahmens und dem gefilterten Licht innerhalb des Rahmens. Wohl ist eine erhebliche Verdunkelung der rechts und links oben angestückten Ecken aus normaler feingewebter Seide festzustellen. Das zwingt zu dem Schluss, dass die Muschelfäden selbst auch lichtdurchlässig sind im Gegensatz zu normalen Seidenfäden.
G. Fanti behauptet, dass recto und verso fast gleich sind, aber doch Abweichungen festzustellen seien: In einigen Partien würden die Farben nicht übereinstimmen, und vor allem in der Mundpartie seien auch zeichnerische Verschiedenheiten festzustellen. Was die Farbabweichungen angeht, verweise ich auf das weiter oben bereits Gesagte, dass je nach Reflexionswinkel des einfallenden Lichtes die Farben auf jeweils dem gleichen Bild, egal ob recto oder verso, changieren. Die Behauptung der recto und verso voneinander abweichenden Zeichnung - einmal die Zähne sichtbar, das andere Mal Mund ohne Zähne - ist schlichtweg falsch und wird widerlegt durch die Farbabbildungen Nr. 25 und 26 bei H. Pfeiffer, der auf einer Doppelbreite recto und verso gegenüberstellt. Übrigens ist dies auch je nach Kameraposition in den Videoaufzeichnungen zu bemerken, nämlich dass beim gleichen Bild bei Abtasten mit der Kamera, genauso wie die weißen Reflexpunkte verschwinden und auftauchen, auch die gleiche Mundpartie mit und ohne Zähne erscheint. Diese Eigenart findet sich bei normalen gemalten Bildern nicht. Fresken und Tapisserien haben eine stumpfe Oberfläche, werden also durch den Lichteinfall für den Betrachter in keiner Weise in ihrer Farbwirkung oder gar Zeichnung beeinträchtigt. Anders ist es bei Bildern mit glänzender Oberfläche. Durch den Firnis wird nicht nur die Malschicht geschützt, sondern auch die Leuchtkraft der Farben erhöht, ohne dass der Farbwert oder gar die Zeichnung verändert wird. Allerdings hat der oberflächlich aufgetragene Glanz eine von der darunter liegenden Farbe unabhängige Reflexionswirkung, weshalb die großen Museen nur noch mit Deckenbeleuchtung ihre Gemälde präsentieren, damit das von oben auf den Firnis einfallende Licht nicht in Augenhöhe der Betrachter reflektiert wird. Wieder anders ist die Wirkung bei kristallinen Objekten. Eine noch so perfekt mit Polierweiß bearbeitete Stuckfigur der Barockzeit wirkt eben anders als ein in carrarischem Marmor ausgeführtes Bildwerk. Die kristalline Struktur des Marmors bewirkt einen Glanz von innen heraus, so dass ein Marmorbild nicht einmal auf Hochglanz poliert sein muss, um eine "lebendige" Wirkung zu erzielen, eine Wirkung, die eine weiß polierte Stuckfigur niemals erzielen kann. Die "lebendige" Wirkung des Schleiers von Manoppello, bei der sogar die Farbwerte sich leicht verändern, gewisse Details der Zeichnung sichtbar sind und verschwinden können, das Gesicht sich nach rechts oder links zu verschieben scheint, ist nur auf die kristalline Struktur der Muschelseidenfäden zurückzuführen. G. Fanti gibt bei der Vorführung der Mikroaufnahmen zu, dass es sich beim Schleier von Manoppello um Muschelseide handelt. Drei Jahre bevor am 1. September Blandina Paschalis Muschelseidenfäden beim Bearbeiten von durch Zufall in ihren Besitz gelangten Pinanobilis-Muscheln in Händen hatte und dadurch ein entscheidender Entdeckungsvorgang ausgelöst wurde, "hat sie immer wieder die Vermutung geäußert, dass der Faden im Schleiergewebe keine pflanzliche Struktur habe, eher wie aus einer Düse ausgeblasen erscheint. So jedenfalls schloss sie aus ihren Beobachtungen des Gewebes auf dem Computerbildschirm bei ungeheurer Vergrößerung. ... Die Fäden scheinen mikroskopisch dünne "Minischläuche" zu sein von durchsichtigem Material. Die Farbe bei den von mir untersuchten Fäden war zwischen weißlich und einem hellen Ockerton, zum Teil ins Gelbliche gehend. Die Muscheln hatten bereits einen Kochvorgang und ein Säurebad durch meine Säuberungsmaßnahmen überstanden, kein Wunder, dass sie nicht mehr weiß waren. Aber in all ihren Eigenschaften, auch in den Farbtönen, erinnerten sie mich lebhaft an die materielle Beschaffenheit des Schleiers. ... Ich sah die Muscheln in ihrem seidigen Glanz und mit den zartesten Linien, und vor mir tauchte der Schleier auf in seinen irisierenden Eigenschaften, seinen nur der Natur vergleichbaren Farbnuancen, die zarten Fäden und Gewebeknoten, auch die "gebrannten" Pupillen - und es wollte mir scheinen, dass wir der Wahrheit über den Stoff einen ungeheuren Schritt näher gekommen waren" (Blandina Paschalis Schlömer zitiert nach Badde S. 195/96). Ergänzend zu diesen Feststellungen gibt P. Badde die von G. Fanti (!) und Donato Vittore 1999 getroffenen Feststellungen wieder wie folgt: "(Wir) hatten auf mikroskopischen Aufnahmen entdeckt, dass das gesamte Gewebe keinerlei Farbspuren aufweist. Nichts. Kein Pinselstrich, kein Blei, kein Deckweiß, nichts. Nur im Schwarzen der beiden Pupillen wirken die Fasern angesengt, als hätte Hitze die Fäden hier leicht verschmort. Davon ist mit bloßem Auge jedoch nichts zu sehen. Auch die Wimpern sind kaum wahrnehmbar." (Badde S. 50)
Dass "im Schwarzen der Pupillen die Fasern wie angesengt" wirken, erklärt sich durch ein bei der Entdeckung der Muschelseide durch B. Paschalis Schlömer gemachtes Experiment, als sie noch im Dunkeln tappte und nicht wusste, um was für ein Material es sich handelte, als sie beim Reinigen einer ihr in einem Restaurant überlassenen Muschel, in der Salat serviert worden war, plötzlich Fädchen in ihren Händen hatte: "Unter der Lupe sah ich, dass sie auch glänzten, etwas durchscheinend waren, ganz so wie die Fäden auf den mikroskopischen Gewebeaufnahmen von Prof. Fanti. Ich prüfte einige mit der Feuerprobe auf ihren tierischen Ursprung. Sie schrumpften in bläulich schwarzen Kügelchen zusammen, wie sich das Gewebe in den Pupillen des Schleierantlitzes zeigt, ebenfalls nach den Aufnahmen von Prof. Fanti aus Padua" (Badde S. 195, die Fortsetzung des Zitates siehe weiter oben "Die Fäden scheinen ..."). Durch dieses Experiment, durch das B. Paschalis Schlömer den tierischen Ursprung der Fäden, die sie unerwartet in ihren Händen hatte, nachwies, ist aber auch noch ein anderes Faktum nachgewiesen: Die schwarze Färbung der Pupillen und des Haaransatzes, die Prof. G. Fanti mit seiner das Untersuchungsobjekt nicht zerstörenden Untersuchungsmethode vorschnell als Farbauftrag deutete, findet eine bessere Erklärung als Anschmoren der Fäden durch Hitzeeinwirkung. Damit würden all die weiter oben aufgezählten Ungereimtheiten, die bei einem hypothetisch angenommenen Farbauftrag auf Muschelseide auftauchen, mit einem Schlage gegenstandslos. Es bleibt dann aber das ungelöste und auch aller Wahrscheinlichkeit nach unlösbare Problem, wie durch selektive Wärmeeinwirkung nur solche Partien des Gewebes angesengt wurden, dass dadurch für den Betrachter der Eindruck eines Gemäldes entsteht. Es ist das gleiche Problem wie bei dem Turiner Grabtuch, wo bis jetzt keine Erklärung dafür gefunden werden konnte, wie die Dehydrierung des Leinengewebes zustande gekommen ist, wo nicht nur durch Gewebeprobenentnahmen sicher festgestellt ist, dass das "Abbild nicht durch Farbauftrag entstanden ist".
Über die chemische Zusammensetzung von Perlmutt und Muschelseide vgl. die Veröffentlichungen der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt EMPA in St. Gallen, aufgezählt in "Muschelseide Goldene Fäden vom Meeresgrund", Projektbeschreibung der Ausstellung des Naturhistorischen Museums Basel und des Museuns der Kulturen Basel vom 19. März bis 27. Juni 2004 und die Internetseite: http://de.wikipedia.org/wiki/perlmutt. In der besagten Ausstellung wurden sämtliche Arbeitsgänge der Bearbeitung von Muschelseide dokumentiert, aber nicht eine Bemalung. Warum sollte auch die golden schimmernde Muschelseide durch Auftrag von Farbpigmenten in ihrer Wirkung beeinträchtigt werden? In der Sendung des ZDF wird auch zugegeben, dass kein einziges Stück Muschelseide existiert, das irgendwie bemalt ist.
Bleibt also die legitime Aufgabe für einen Wissenschaftler, nach einer Erklärung zu suchen, wie ein Portrait auf ein Muschelseidengewebe appliziert werden konnte. In Revision,
so stellt es das ZDF fälschlicherweise dar,
von früheren Feststellungen (Badde S. 50), die er wohl zusammen mit Prof. D. Vittore (Universität Bari) 1999 getroffen hatte, also zu einem Zeitpunkt, als die Materie dieses Schleierbildes noch nicht bekannt war, vertritt er in der Sendung des ZDF die Ansicht, dass auf dem Schleierbild Farbspuren zu entdecken seien. Das Ergebnis der damaligen Untersuchung wird von D. Vittore in der ZDF-Sendung wie folgt dargestellt: "Wir konnten unsere digitalen Aufnahmen fast beliebig vergrößern. Für die Frage nach dem Material des Tuches fanden wir keine endgültigen Antworten. Was wir aber feststellten, war, dass es in den Zwischenräumen des Gewebes keine Farbablagerungen gab, und wir hatten den Eindruck, dass die Fäden des Tuches auch nicht gefärbt waren." Diesem Ergebnis von damals "muss" G. Fanti in der ZDF-Sendung "widersprechen". Er sucht diese neue These zu beweisen durch den weiter oben besprochenen weißen Punkt in der Mikroaufnahme und ein Parallelexperiment. Mit Aquarellfarbe und Bindemittel (welches, wird nicht gesagt) wird eine winzige Probe Muschelseide regelrecht zugeschmiert. Die mikroskopische Aufnahme zeigt demnach auch eine stumpfe ultramarine-blaue Fläche, aus der etwas heller einzelne Fäden wie Spaghetti aus einer Sauce Bolognese herausragen. Dieses Bild entspricht in keiner Weise der kurz danach gezeigten Mikroaufnahme eines Details des Schleiers, bei der ein deutlicher freier Abstand zwischen den einzelnen Fäden zu erkennen ist, und den G. Fanti selbst zur Erklärung der Durchsichtigkeit des Schleiers im Gegenlicht heranzieht. Dieses Experiment, so wie es im ZDF dargestellt wurde, kann von einer Bemalbarkeit von Byssus (Muschelseiden)gewebe nicht überzeugen.
In der Sendung des ZDF wird gezeigt, wie Chiara Vigo aus St. Antioco, die wohl einzig noch lebende Kunsthandwerkerin, die das altererbte Kunsthandwerk der Byssusbearbeitung noch beherrscht, auf ein Stück Byssusgewebe mit Purpurtinktur Buchstaben malt, die innerhalb einer halben Minute vollständig verschwinden. Ihr Kommentar, dass man Byssus nicht färben könne, vielleicht auch nicht bemalen könne, steht im Widerspruch zu dem gezeigten Experiment und ihren ausführlichen Darlegungen über die Bearbeitung von Muschelseide (Badde S. 207). Hier müssen zunächst die verwendeten Begriffe geklärt werden. Bei der Beschreibung der Eigenschaften der Muschelseide und der Methoden der Bearbeitung stellt C. Vigo (Badde S. 200/01) fest: "Die Fäden sind sehr fein, zäh und widerstandsfähig. Je nach Sediment und Alter der Tiere können sie von farblos bis dunkelbraun gefärbt sein. Byssus ist weder wasserlöslich noch entflammbar, widerstandsfähig gegen Alkohol und Äther, verdünnte Säuren und Laugen. ... Nach der Ernte werden die Fasern mehrfach gewaschen, getrocknet und gekämmt. Je mehr man sie kämmte, desto stärker trat ihr Glanz hervor. Ihre typisch goldbraun glänzende Farbe, welche die Muschelseide so berühmt machte, erhielt sie jedoch erst durch Einlegen in Zitronensaft. Weiteres Färben war nicht erforderlich, auch nicht möglich, da die Fasern keine Farbe annehmen." …
Nun wird durch das in der ZDF-Sendung gezeigte Experiment deutlich, dass auf Muschelseide aufgebrachte organische Farbtinktur wegen der chemischen Zusammensetzung der Fäden innerhalb einer halben Minute spätestens zersetzt wird und deshalb "verschwindet". Bleibt also das Experiment von G. Fanti mit Erdpigmentfarben, die mit einem nicht genannten Bindemittel auf das Muschelseidengewebe aufgeklebt werden. Es gibt aber kein Leinwandgemälde, bei dem das Leinengewebe nicht durch einen Öl- oder Leimkreidegrund zuvor malfähig gemacht wurde, es sei denn, der Maler trägt alla prima Deckfarben auf, die zugleich als Malgrund dienen. Das Ergebnis ist dann auch entsprechend grobschlächtig. G. Fanti nennt als einzige Ausnahme das Madonnenbild von Guadeloupe (Mexiko), bei dem Farben direkt ohne Malgrund auf ein sehr minderwertiges Gewebe aufgetragen seien. Auf dem Schleier von Manoppello ist aber in der von G. Fanti gezeigten mikroskopischen Aufnahme kein durchgehender Malgrund zu erkennen. Ein derart zartes Gemälde kann technisch gar nicht alla prima gemalt werden. Außerdem würden, wenn die Farben den Goldglanz des Muschelseidengewebes zustreichen würden, die irisierende Farbwirkung und die vollkommene Durchsichtigkeit des "Gemäldes" keine Erklärung finden, wie das Ergebnis des mit ultramarin blauer Aquarellfarbe durchgeführten Experimentes beweist. Es ist auch schlichtweg unerfindlich, warum das teuerste Gewebe der Welt durch einen aufgeklebten Malgrund um seinen einzigartigen Glanz und seine einzigartige irisierende Wirkung gebracht werden soll, wo man auf jedes Leinengewebe einen die Malunterlage verdeckenden Malgrund aufbringen kann. Über Malgründe vgl. Waldemar Janusczak, Maltechniken Großer Meister, Ein Blick in die Ateliers der Weltkunst, Goudrom Verlag München 1981 (München, nach der englischen Originalausgabe London).
Am 30. April 2007 wurde der Volto Santo erneut untersucht durch die Professoren Antonio Bini von der Universität Modena, Francesca Bini, Fachärztin für Radiologie, Prof. Pietro Baraldi, Universität Modena, und zwar speziell auf die Punkte hin, die Prof. Fanti als mögliche Pigmente bezeichnet hatte. Das Ergebnis war an allen Stellen negativ.
Damit erledigt sich auch, was die verantwortliche Redaktionsleiterin des ZDF mir mit Brief vom 11. Mai 2007 mitteilte: "Dass sich nämlich auf dem Tuchbild Farbe nachweisen lässt. Und zwar nicht nur an einzelnen Stellen, sondern durchgehend - bei allen konturgebenden Linien sowie auf den farbgebenden Flächen. Dieses Ergebnis beruht nicht nur auf unserer Beurteilung, sondern auch der einer Reihe von namhaften Experten auf dem Gebiet, die wir um Stellungnahmen gebeten haben. Allen voran sei hier Prof. Dr. Fuchs von der Fachhochschule Köln genannt." Seltsamerweise hat dieser Professor am Objekt selbst keine Untersuchungen vorgenommen, wie mir in Manoppello versichert wurde.
Nachdem nun durch mikroskopische Spektraluntersuchungen endgültig geklärt ist, dass keine Farbpigmente auf dem Schleier die Bildwirkung hervorrufen, bleibt als Erklärung nur die auch mit bloßem Auge wahrnehmbaren Phänomene, die zeigen, dass es sich um reine Lichtreflexionen handelt. Beispiele aus der Natur habe ich zum Vergleich bereits genannt. Es werden aber jeweils nur gewisse Lichtwellen und nicht das ganze Farbenspektrum wie beim Regenbogen reflektiert. Das findet seine natürliche Erklärung durch die Interferenz der Lichtwellen. Die Muschelseidenfäden erscheinen im Mikroskop wie kleine dünne Röhrchen. Das auffallende Licht wird also zweimal reflektiert von der Oberkante und von der Innenseite der Unterkante. Je nach Abstand der beiden Kanten werden bestimmte Wellenlängen verstärkt; wenn sie phasenverschoben sind, löschen sie sich gegenseitig aus. Da jeder webfähige Faden sich aus 30 Muschelseidenfäden zusammensetzt, gibt es unendlich viele Möglichkeiten, dass nur bestimmte Wellenlängen (= Farbwirkung) reflektiert werden, andere Wellenlängen durch Interferenz ausgelöscht werden. Die Farbe des reflektierten Lichtes hängt also im Wesentlichen von der Dicke der Fäden an der entsprechenden Stelle ab. Chiara Vigo hat ja auch festgestellt, dass nicht alle Fäden die gleiche Farbwirkung haben, die je nach Alter und Standort im Meer zwischen braun und weiß vorkommen kann. Dass sich die Farbwirkung auf dem Schleierbild je nach Reflexionswinkel ändert von braun-gelblichen zu umbrafarbenen Tönen, findet seine Erklärung in der unregelmäßigen Struktur dieser Fäden. Schüler der Oberstufe lernen im Physikunterricht an einfachen Modellen, z.B. zwei aufeinander gelegte dünne Glasplatten, deren Dicke bekannt ist und deren Abstand zueinander durch einen an einer Seite zwischengelegten Gegenstand wächst, anhand der sichtbaren bzw. vernichteten Farben, die Wellenlänge dieser Farben zu berechnen. Die Rechnung lässt sich auch umkehren (vgl. Dorn Physik Oberstufe Ausgabe A, Schroedelverlag 111967 §§ 125 und 126). Natürlich sind die zusammengesponnenen Muschelseidenfäden komplizierter zu berechnen als die in der Schulphysik den Schülern dargebotenen einfachen Modelle. Aber für den Fachmann müsste es möglich sein, ein Korrelat zwischen der Fadendicke und den durchgelassenen bzw. durch Interferenz vernichteten Lichtwellen (> Farbwirkung) herzustellen. In der Technik wird das ja tagtäglich praktiziert bei der Vergütung von Brillengläsern. Die Entspiegelung geschieht durch Interferenz bestimmter Lichtwellen. Wer gerade kein Physikbuch zur Hand hat, kann sich im Internet orientieren über Interferenzerscheinungen des reflektierten Lichtes bei Seifenblasen unter http://cc.uni-paderborn.de/studienarbeiten/aulig/themen/seifenblasenlu-pe.html und über Interferenzerscheinungen des reflektierten Lichtes bei Perlmutt- und Muschelseidenfäden, die chemisch wie Perlmutt zusammengesetzt sind, im Internet unter: http://de.wikipedia.org/wiki/perlmutt vom 15. Januar 2007.
Aber auch bei einem solchen physikalisch-mathematischen Beweis für ein Phänomen, das auch sonst in der Fauna vorkommt - die Federn des Grauflügeltrompetervogels wurden bereits genannt, die Muschelseidenfäden reflektieren je nach Alter und Standort nur Licht von bestimmter Wellenlänge - bleibt der Schleier von Manoppello unerklärlich. Nur eine weit über menschliche Fähigkeiten hinausreichende Intelligenz und Macht kann die Fäden so anordnen, dass sie jeweils an einer bestimmten Stelle gerade nur Licht von der Wellenlänge reflektieren, die, alle Punkte zusammen genommen, im Betrachter das Portrait eines Menschen entstehen lassen.
All diese Probleme hätten in einem Bericht über eine vom ZDF zu diesem Zweck einberufene Expertenversammlung dem Zuschauer durch die Experten dargelegt werden müssen, wenn denn die Sendung ihrem Anspruch gerecht werden wollte, den Zuschauer über ein rätselhaftes Bild sachgerecht und wissenschaftlich abgesichert zu informieren. Man wende nicht ein, dafür hätte die zugestandene Sendezeit nicht ausgereicht. Sendezeit und Herstellungskosten wurden in den ersten drei Vierteln der Sendung buchstäblich verschwendet durch Bildsequenzen, die zum "Moment der Wahrheit" hinführen sollten, die aber sachlich unergiebig bleiben, wie im Folgenden zu zeigen sein wird.
Mit dem Schleier von Manoppello rein gar nichts zu tun hat ein seit 200 Jahren in Absam/Tirol verehrtes "nicht von Menschen geschaffenes" Marienbild. Die gezeigte Bildsequenz dient nur dazu, die Findigkeit des Filmemachers im Aufspüren von bedeutungslosen Legenden und deren Entlarvung zu demonstrieren. Das Marienbild in Absam, 1797 in der Innenscheibe des Fensterglases des äußeren Fensters erschienen und geblieben, ist ebenfalls ein nicht mit Menschenhand gemachtes Bildnis. Es erscheint wie ein Schwarz-Weiß-Dia, braucht aber einen dunkel getönten Hintergrund, um überhaupt zu erscheinen; ansonsten verschwindet das Marienporträt, das genau mit dem Antlitz der Lukasikonen zusammenstimmt, gänzlich.
(Brief von Professor Heinrich Pfeiffer vom 03. Juni 2007)
Die Filmsequenz über die Bemühungen des Münchener Schönheitschirurgen Jeff Fairley sind völlig unnötig. Bereits 1989 hat der führende Vertreter der amerikanischen Forschungsgruppe STURP J. Jackson (in: Shroud Spectrum International 32/33 Sept./Dez. 1989) darauf aufmerksam gemacht, dass beim Turiner Grabtuch die Umrisse des durch Dehydrierung des Leinens entstandenen Körperabdruckes sich nicht mit den über das ganze Tuch verteilten Blutspuren decken. Innerhalb des Abbildes ist das Leinen unter den Blutspuren nicht dehydriert, besonders beim Gesicht und bei den Ellenbogen bleiben die Blutspuren außerhalb des "Bildes". Die Blutspuren rühren also daher, dass das Tuch den Körper vollständig auch an den Flanken bedeckt hat. Warum aber die Dehydrierung des Leinens nur an der Vorder- und Rückfront des darin liegenden Leichnams und nicht auch an dessen Flanken stattgefunden hat, bleibt ein Rätsel, das nicht gelöst werden kann. Das gleiche Problem wirft der Schleier von Manoppellobauf. Ein Satz hätte zu dieser Feststellung genügt, zumal jeder Mensch diese Erfahrung auch machen kann ohne großen Aufwand, indem er sein Gesicht eincremt und ein Leinentuch darauf abdrückt. Die ZDF-Sendung hat also mit großem Aufwand offene Türen eingerannt und einen sachdienlichen Hinweis auf das gleiche Phänomen beim Turiner Grabtuch unterlassen.
Die Bemühungen des Wiener Graphikinstitutes konnten wegen falscher Aufgabenstellung nicht zu einem aussagekräftigen Ergebnis führen. Die "Dutzende von Jesusbildern aus allen Epochen" - auf gleichen Maßstab gebracht und in den anatomischen Referenzpunkten als Folien aufeinander gelegt - wurden zu einem Phantombild verschmolzen, das "nur ansatzweise mit dem "Volto Santo" zur Deckung gebracht werden konnte". Das hätte nur gelingen können, wenn sämtliche herangezogenen Christusbilder von technisch versierten und in naturalistischer Sehweise geschulten Malern direkt vor dem Original vom gleichen Standpunkt aus kopiert worden wären. Einen solchen Auftrag an ein Institut zu vergeben zeugt von absoluter Ignoranz der einfachsten kunstgeschichtlichen Gegebenheiten. Bei den Verkehrsverhältnissen der Spätantike und des Mittelalters konnten die wenigsten Maler persönlich nach Konstantinopel bez. Rom reisen, um Bilder vom Original abzukopieren. Sie malten als Mönche in Klöstern und später in (weltlichen) Werkstätten innerhalb der Städte nach bestimmten Traditionen, die von den Meistern jeweils weitergegeben wurden. Dabei waren im Osten die Traditionen strenger und hielten sich in der russischen Ikonenmalerei bis ins 19. Jahrhundert, während im Westen ab dem 13. Jahrhundert individuelle Gestaltung sich allmählich Bahn brach. Der Cappenberger Barbarossakopf aus der Mitte des 12. Jahrhunderts würde sich sicher nicht für ein Fahndungsfoto eignen. Individuelle Züge weisen die Naumburger Stifterfiguren (Mitte 13. Jahrhundert) und die Sandsteinfigur Kaiser Karl IV. (Mitte 14. Jahrhundert) auf. Die Portraitmalerei mit individuellen (anatomischen!) Zügen hinkt durchschnittlich ein Jahrhundert hinterher. Vorher beschränkte man sich sowohl bei Herrscherbildnissen als auch in der religiösen Malerei auf idealtypische Züge, bei Herrscherbildnissen durch Beigabe der erforderlichen Herrschaftssymbole, bei Christusbildnissen auf die Beigabe von Nimbus oder Mandorla. Der Nimbus war ursprünglich ein weltliches Hoheitssymbol, wie das 324-26 n.Chr. gemalte Brustbild einer jungen Frau mit Nimbus aus dem Kaiserpalast in Trier (Bischöfliches Museum BM 46 D 280) zeigt. Im Unterschied zu den frühen Christusdarstellungen aus dem 4. Jahrhundert weisen die späteren Christusbilder - wenn auch nicht bei jedem vollzählig - bestimmte Gestaltungsmerkmale auf: schulterlanges, in der Mitte gescheiteltes Haar, lange schmale Nase, zweigeteilter Bart, offene nach oben gerichtete Augen, schmales Gesicht, ernstere hoheitsvolle Gesichtszüge. Immerhin konnte jeder Betrachter ohne Schwierigkeit Jesus erkennen und von anderen Heiligen unterscheiden, was bei den frühchristlichen Plastiken, vor allem den Darstellungen auf Sarkophagen, gar nicht so leicht ist (Beispiele abgebildet in Lexikon der Weltkunst, Zweiburgenverlag Weinheim, Band 4, S. 1596-1607). Dass überhaupt, wenn auch "nur ansatzweise", eine Übereinstimmung mit dem Schleier von Manoppello trotzdem noch festgestellt wird, ist ein Ergebnis, das bei den Malerverhältnissen gar nicht anders zu erwarten war. Mit diesem Ergebnis kann man die sorgfältig erarbeitete und auch belegte These von H. Pfeiffer, dass die Christusdarstellungen ab einem gewissen Zeitpunkt von der Kamuliana (= Schleier von Manoppello) bez. dem Mandylion (= Turiner Grabtuch) abhängen, nicht falsifizieren. Umso erstaunlicher bleibt aber die Tatsache, dass das Gesicht auf dem Schleier von Manoppello und das auf dem Grabtuch von Turin deckungsgleich sind, was auch in der Sendung nicht abgestritten wird.
Der von Gerhard Wolf ins Spiel gebrachte 1438 gedruckte gefälschte Lentulusbrief, in dem verbal das Aussehen Christi beschrieben wird, und dessen Gegenüberstellung mit einem von Jan van Eyck gemalten Profilbild von Christus (wenn es denn überhaupt eines ist) hat keinen Bezug zu dem seit Jahrhunderten festgelegten Kanon, wie das Gesicht Christi gemalt werden soll, und hat niemals eine Rolle gespielt, weder in der Malerei noch in der Kunstgeschichte. Der Entdecker zeigt damit nur seinen Scharfsinn im Aufspüren und Entlarven einer bedeutungslosen Fälschung.
Die Experimente von Shimon Gibson und Ralf Lewis (Jerusalem) leiden unter zwei falschen Versuchsbedingungen und können deshalb zu keinem brauchbaren Ergebnis führen. Es gab mehrere Arten, mit zwei Tüchern, dem großen Leichentuch und der Kopfbedeckung, eine Leiche einzuwickeln. Gezeigt wurde, wie der Körper einer Versuchsperson quer herum eingewickelt wurde (wie man einen Laib Brot in Papier einwickelt), wobei der Kopf frei bleibt, der dann mit Öl eingerieben und von Blutflecken gereinigt wurde und mit einem zweiten Extratuch bedeckt wird, das so lose auf dem Kopf liegt, dass ein eventueller Scheintoter sich noch bemerkbar machen kann während einer Leichenfeier der Verwandten in der engen Grabhöhle. Das Grabtuch von Turin, das immerhin bis auf die Brandspuren dreier historisch nachweisbarer Brände vollständig erhalten ist, und an dessen Echtheit durch die Nachforschungen von Spezialisten aus aller Welt kein Zweifel mehr möglich ist, zeigt eine andere Art der Einhüllung einer Leiche. Der Leichnam wurde auf ein 4,30 Meter langes und 1,10 Meter breites Tuch mit den Füßen an dem einen schmalen Ende mit dem Rücken auf das Tuch gelegt, das Tuch über den Kopf auf die Vorderseite des Korpus gelegt und der überstehende Rest wieder unter die Füße geschlagen. Bei dieser Einhüllung ist der Kopf bereits durch das Leichentuch bedeckt. Ein Schweißtuch kann also nur über dem leinenen Leichentuch gelegen haben, denn dieses ist über und über mit Blutspuren bedeckt. Deshalb kann der Schleier von Manoppello im Grab keinen direkten Kontakt mit dem Leichnam gehabt haben. H. Pfeiffer macht durch eine philologisch penible Neuübersetzung von Johannes (20,3-9), die die schwammige Formulierung der Einheitsübersetzung korrigiert, deutlich, dass nach dem Bericht des Evangelisten das soudarion (= Schweißtuch) über dem Leichentuch gelegen haben muss (Pfeiffer S. 75-82). Dadurch entsteht für den Naturwissenschaftler erst das eigentliche Problem. Wie soll ein Abdruck eines Gesichtes zustande gekommen sein ohne einen direkten Kontakt des Tuches mit dem Körper, wobei zudem nur eine zweidimensionale Frontalsicht eines Gesichtes wiedergegeben wird, als ob das Tuch auf einer ebenen Glasplatte gelegen hätte? Diese Frage ist schon bei dem Turiner Grabtuch, das immerhin direkten Kontakt hatte mit der darin liegenden Leiche - und zwar von allen Seiten - nicht lösbar, weil definitiv nachgewiesen wurde, dass keinerlei Farbe das Abbild erzeugt hat, sondern die mehr oder weniger starke Dehydrierung des Gewebes eine Art Damasteffekt erzeugt, der den Betrachter - je nach Standpunkt und Lichteinfall - das Negativbild eines zu Tode geschundenen Leichnams sehen lässt. Die Forscher um Prof. Gallimard, Volkringer, Samuel Pellicori, deren Ergebnisse Maria Gracia Siliato (Und das Grabtuch ist doch echt, Pattloch Augsburg 1998, S. 139-148) darstellt, sehen die Dehydrierung als Ergebnis von Schweißausdünstungen. Die Forscher um Jackson Jumper, Wilson sehen die Dehydrierung eher als Ergebnis der Einwirkung von Röntgenstrahlen an der unteren Grenze von 150 Nanometern. "Niemand weiß aber bisher, wie ein menschlicher Körper in solcher Weise zu einer abstrahlenden Energiequelle gemacht werden kann, so dass dieser Körper auch fähig wird, Materie zu durchdringen" (Pfeiffer S. 84). Wenn es in Bezug auf das Turiner Grabtuch kein "sacrificium intellectus" bedeutet, die Grenzen einer naturwissenschaftlichen Erklärung eines gesicherten Tatbestandes anzuerkennen, so gilt das Gleiche auch für das soudarion (= Schleier von Manoppello), dessen abgebildete Gesichtszüge sich mit denen des Turiner Grabtuches decken. Auf diese Problematik macht das falsch angelegte Experiment von S. Gibson und R. Lewis nicht einmal aufmerksam, sondern umgeht die eigentliche Schwierigkeit.
In ihrer Antwort vom 11. Mai 2007 schreibt die für den Film verantwortlich zeichnende Redaktionsleiterin Michaela Pilters zur Wicklungsrichtung in dem Experiment von Gibson: "Wir teilen nicht Ihre Einschätzung, dass es sich beim Sindone von Turin um das Grabtuch Christi handelt. ... Ein Grabtuch in der Form, wie es in Turin präsentiert wird, lässt sich archäologisch nicht nachweisen".
Ironischerweise hat gerade der in dem Film als Kronzeuge für den Nachweis von Farbe auf dem Schleier von Manoppello aufgebaute Prof. Fanti - allerdings unter Verfälschung seiner Aussagen - ein Buch geschrieben, in dem er alle Ergebnisse der Forschungen der letzten Jahre kritisch beurteilt und zu dem Ergebnis kommt, dass mit einer Sicherheit von 1 zu 10-183 (!!!) das Grabtuch von Turin echt ist, wie weiter oben gezeigt wurde.
Auf höchst unsicherem Boden stehen die immer wieder in die Sendung eingestreuten Statements des Kunsthistorikers G. Wolf. Er hält den Schleier von Manoppello für ein Kunstwerk niederländischflämischen Ursprungs aus dem späten 15. Jahrhundert. Die These von Roberto Falcinelli, dass das Bild von Albrecht Dürer gemalt sei, übernimmt er nur teilweise, als in der Zeit A. Dürers gemalt. Für G. Wolf ist das Werk "nicht göttlichen Ursprungs, wenn wir damit sagen wollen, dass es das Abzugsbild Christi aus seinem Grabe ist, das (...?) aufersteht", sondern ein Bild von einer hohen spirituellen Kraft und Ausstrahlung, das ich für ein ingeniöses Kunstwerk halte, das aber nicht deswegen entwertet ist. Also die Alternative göttlich oder menschlich ist für mich nicht dramatisch, denn ein menschliches Werk ist (?) ... eine (?) ... eines göttlichen." Unverständlich bleibt dann aber, warum G. Wolf dieses "ingeniöse Kunstwerk von einer hohen spirituellen Kraft und Ausstrahlung" nicht einbezogen hat in die römische Ausstellung "Das Gesicht Christi" im Jubeljahr 2000, die er mitverantwortet hat. G. Wolfs Zuschreibung in die Niederlande des späten 15. Jahrhunderts bez. Dürerumkreis des frühen 16. Jahrhunderts widerspricht der Zuweisung von Prof. Dietz (Würzburg), der darin ein Bild der Sieneser Schule des 14. Jahrhunderts sieht (Badde S. 160). Eine daraufhin von Badde angeforderte Expertise von Mrs H. Isabel Piczek (Los Angeles, früher New York) bezeichnet "das Gemälde" als ein Produkt der sog. Sienesischen Schule aus der Mitte des 14. bis zur Mitte des 15. Jahrhunderts, wobei islamische (!), spanische und französische Einflüsse verarbeitet seien, und bietet eine ganze Reihe von in Frage kommenden Malern an: Ferrer Bassa (1290-1348), Simone Martini (1284-1344), Taddeo Gaddi (1300-1366) mit Präferenz für Gherardo Starnina (1354-1413), der auch zwischen 1379-1403 in Spanien aktiv war.
Ich habe diese G. Wolf widersprechenden Zuschreibungen deshalb hier erwähnt, damit deutlich wird, dass man mit stilkritischen Analysen allein nicht zu sicheren Urteilen kommen kann, was in der Sendung nicht hinterfragt wurde. Nur mit außerbildlichen historischen Fakten gewinnt man sichere Anhaltspunkte für eine Datierung und Zuschreibung von Bildern. Ein weiteres Beispiel für einen folgenreichen Irrtum bei Datierung aus rein stilkritischen Analysen eines Bildes zeigt, wie ein Kunsthistoriker sich dabei um ein wichtiges Beweisstück seiner Hauptthese bringen kann. Die Christusikone, die bis 1871 in der Kapelle San Silvestro in Capite aufbewahrt wurde und sich heute in der Sakristei, zuvor in der Mathildenkapelle des Vatikans befindet, datiert H. Pfeiffer ins 12. Jahrhundert (Pfeiffer S. 43 und Abbildung Nr. 15, verbale Beschreibung in Badde S. 36/37). Dieses hochrechteckige Portrait erfährt eine davon völlig abweichende Datierung durch Dr. Arnold Nesselrath, seit 1996 Direktor der Abteilung für byzantinische, mittelalterliche und moderne Kunst an den Vatikanischen Museen und Professor an der Humboldtuniversität Berlin. "Unter seiner Ägide wurde das Edessa-Mandylion in der Sakristei der Sixtinischen Kapelle aus Anlass des 50-jährigen Priesterjubiläums Johannes Paul II. im Jahre 1997 untersucht, und auch mir sagte er bald, dass er sich danach gut vorstellen könne, dass dieses Christusbild "ins 3. Jahrhundert hineinreicht" und nicht - wie andere Stimmen behaupten - ins 15. Jahrhundert. ... "All diese nicht von Menschenhand gemachten Bilder sind von Schichten von Legenden umgeben, die dicht an seinen frühen Ursprung führen, wenn man sie vorsichtig entfernt", sagt der erfahrene Restaurator vorsichtig" (Badde S. 144). Wenn A. Nesselrath Recht hat, wäre das ein bisher übersehener, weiterer Beweis für H. Pfeiffers These, dass das Schleierbild von Manoppello einen Paradigmenwechsel in der christlichen Kunst herbeigeführt hat von den im Westen fassbaren, Ende 3., Anfang 4. Jahr-hunderts hergestellten plastischen Bildwerken des Christus als jugendlichem Hirten (> Helden) mit scheitellosem Kurzhaar-Lockenkopf, ohne Bart zum Frontalportrait eines reifen Mannes mit schulterlangem gescheiteltem Haar, zweigeteiltem Spitzbart, offenen Augen und ernster undurchdringlicher Miene, bei einigen Bildern auch ein Haarbüschelchen in der Stirnmitte. Denn seit der Eroberung von Edessa durch Kaiser Caracalla im Jahre 212 n.Chr. war es aus mit der relativen Unabhängigkeit des Satellitenstaates von Edessa, in dem sich die Christen zwei Jahrhunderte ungehindert hatten ausbreiten können, so dass sie Grund genug hatten, in den kommenden Christenverfolgungen ihr kostbarstes Heiligtum zu verstecken, das erst 544 bei der Belagerung durch die Perser aus seinem Versteck in der Stadtmauer wieder hervorgeholt wurde, den Persern entgegengehalten wurde, worauf diese von der Belagerung abließen. Kaiser Justinian I. hat zwei Jahre später in Edessa eine große Kirche, die den gleichen Titel trägt wie die Hauptkirche seiner Reichshauptstadt, Hagia Sophia, erbauen lassen, um einen würdigen Aufenthalt des "Leichentuches", dessen späterer Name "Mandylion" sich vom Arabischen herleitet, zu schaffen (Siliato Grabtuch, wie oben, S. 168 ff.). Wenn also Christusikonen, die die wesentlichen Merkmale des Schleiers von Manoppello aufweisen, schon im 3. Jahrhundert, als das Grabtuch von Turin noch versteckt war, angefertigt wurden, dann wäre dies ein wesentlicher Beweis für Pfeiffers These, dass der Schleier von Manoppello den Paradigmenwechsel in der Christusdarstellung herbeigeführt hat.
Die in der besagten Sendung beigebrachten und durch Bildsequenzen veranschaulichten Fakten sind teils falsch, teils falsch eingeordnet, teils in ihrem historischen Aussagewert verkannt. Wesentliche Fakten fehlen, so dass ein völlig falsches Bild entsteht, fast eine moderne Legende. Legenden sind historische Quellen, aber nicht für das, was sie erzählen - wobei nicht auszuschließen ist, dass hinter der Ausschmückung ein historischer Kern steckt. Eine Legende gibt Auskunft darüber, dass ein historisches Faktum vorliegt, für das man keine Erklärung weiß oder nicht wissen will, und für das man aus bestimmten Gründen eine Erklärung zurechtbastelt. Jeder Primaner lernt das im Geschichtsunterricht anhand der Analyse der Dolchstoßlegende. Nun muss nicht bei jeder Legende das Faktum genau bekannt und bewusst verdreht worden sein. Es kann durchaus sein, dass man einem Phänomen gegenübersteht, für das man keine rationale Erklärung weiß, das aber doch irgendwie erklärt werden muss - aus welchen Gründen auch immer. Es wird also in gar keinem Fall genügen, einen Text als Legende zu entlarven und die entscheidenden quellenkritischen Fragen dabei nicht zu stellen: Welches unerklärbare oder nicht akzeptierte Faktum steckt hinter dieser Legende? Aus welchen Gründen und mit welcher Absicht hat der Legendenautor dieses Faktum mit Legenden umgeben? Wie stark war die Erklärungsnot des Legendenautors? Diese Fragen zu stellen lernt man im ersten Semester im historischen Proseminar.
In der ZDF-Sendung werden Wolfgang Zwickels Forschungen durch nachgestellte Spielszenen dramatisch ausgeschmückt. Dadurch sollen die Veronikalegende und die Abgarlegende als unhistorische Quelle entlarvt werden. Damit werden aber offene Türen eingerannt. Auch die Forscher, die sich mit dem Schleier von Manoppello befassen, wissen, wie eine Legende zu behandeln ist (Pfeiffer S. 21-27, Kamulialegenden; S. 17 Abgarlegende; S. 46-50 Veronikalegende; Badde S. 174).
Zunächst ist zwischen Legenden um die Kamulia (= Schleier von Manoppello) und dem Mandylion (= Turiner Grabtuch) zu unterscheiden, was zuweilen schwierig ist, da die Begriffe für die Bezeichnungen in einigen Quellen nicht eindeutig unterschieden werden. Der Weg des Turiner Grabtuches von Jerusalem - Pella - Edessa - Konstantinopel - Lirey (Frankreich) - Savoyen (Turin) ist hinreichend geklärt sowohl anhand der schriftlichen Quellen als auch anhand der Pollenanalyse und braucht uns hier nicht weiter zu beschäftigen (vgl. M.G. Siliato, und das Grabtuch ist doch echt, Die neuen Beweise, deutsche Ausgabe Pattloch Augsburg 1998). Eine kurze Zusammenstellung der wichtigsten historisch gesicherten Fakten unter Einbeziehung der Legenden mag zeigen, welche historischkritischen Fragen der Filmemacher und W. Zwickel nicht gestellt haben, weshalb die langen Filmsequenzen am Thema vorbeigespielt haben.
574 n.Chr., Feierliche Übertragung der eikon acheiropoíetos von Kamulia nach Konstantinopel. Es ist zu beachten, dass die Bezeichnung acheiropoíetos die älteste Bezeichnung dieses Gegenstandes (vgl. Pfeiffer S. 46) ist. Die Beschaffenheit dieses Gegenstandes, der so ganz anders ist als byzantinische doppelseitige Seidenmalerei (Pfeiffer, zitiert nach Badde S. 119), war den Menschen zumindest des 6. Jahrhunderts nicht erklärlich, deshalb die Bezeichnung acheiropoíetos = ein nicht von Menschen gemachtes Bild. Die Entstehung der beiden Kamulialegenden steht zwar im Zusammenhang mit dem christlichen Kaiserkult, der auch in den Münzprägungen Justinianus II. seinen Niederschlag findet (Pfeiffer S. 23-30), hätte aber keine Grundlage, wenn die für menschliche Fähigkeit unerreichbare Beschaffenheit eines doppelseitigen identischen Portraits auf einem vollkommenen durchsichtigen Schleier, bei dem das Bild je nach Lichteinfall verschwindet, nicht jederzeit nachprüfbar gewesen wäre. Denn das Original ersetzte als Herrschaftssymbol das durch Julian Apostata profanierte Labarum Konstantins I. (Pfeiffer S. 21), war also öffentlich sichtbar. Seine militärische Funktion während des 6. und 7. Jahrhunderts ist mehrfach belegt.
695 n.Chr. verschwindet das Bild aus Konstantinopel im Zusammenhang mit der Absetzung und Gesichtsverstümmelung Kaiser Justinianus II. (Pfeiffer S. 38), der 705 Konstantinopel wieder zurückerobern konnte, der auch mit Hilfe der Folter nicht mehr erfahren konnte, wo die acheiropoíetos geblieben war (Pfeiffer nach Badde S. 132).
705 Unter Papst Johannes VII., dem letzten Papst der sog. byzantinischen Epoche des Papsttums, taucht die acheiropoíetos in Rom auf, wo es wegen zu erwartender Besitzansprüche des byzantinischen Kaisers nicht öffentlich gezeigt wurde und in der Sancta Sanctorum Kapelle des Lateranpalastes aufbewahrt wurde (Pfeiffer S. 46).
753 n. Chr. zieht Papst Stephan II. mit der Acheiropoíetos in einer Bittprozession durch Rom vom Lateran nach Santa Maria Maggiore (Pfeiffer S. 46), um himmlischen Beistand gegen die Bedrängnisse durch den Langobardenkönig Aistulf zu erlangen. Der byzantinische Kaiser konnte Italien nicht mehr verteidigen. In Mittelitalien hat der Papst dieses Machtvakuum als "Patrimonium Petri" ausgefüllt, das durch die arianischen Langobarden bedroht war. So suchte der Papst Hilfe bei dem Frankenkönig Pippin, der in zwei Feldzügen 754 und 756 auch nur kurzfristig für Ruhe sorgte, bis dann Karl der Große 774 sich selbst zum Langobardenkönig krönte. Papst Stephan II., von allen Seiten bedrängt, musste sich in mehrere Richtungen verteidigen. In diesem Zusammenhang ist die Entstehung mehrerer Legenden zu sehen. Die Konstantin-Silvesterlegende ("Konstantinische Schenkung") ca. 753 n.Chr. richtet sich gegen die Ansprüche der Langobarden und ist Grundlage der Pippinischen Schenkung, bestätigt durch Einigung zwischen Karl dem Großen und Papst Hadrian I. 787, der Grundlage des Kirchenstaates. Im Bilderstreit (über dessen einzelne Phasen s. K. Baus in Lexikon für Theologie und Kirche, Herder2 1958, Band II, S. 462) führt Papst Stephan III. auf der Lateransynode 769 den Briefwechsel König Abgars mit Christus an und auch später führt Papst Hadrian I. gegen Karl den Großen und seine Hoftheologen (Libri Carolini Frankfurter Synode 794) den Briefwechsel an, obwohl das Decretum Gelasianum de libris recipiendis et non recipiendis 496 n.Chr. den Brief Abgars und den Antwortbrief zu den Apokryphen gerechnet hat.
Die Veronikalegenden: Cura Sanitatis Tiberii (8. Jahrhundert) und die lateinische Pilatusprosa (um 1050 n.Chr.), sowie andere Legenden, die Motive der Abgarlegende auf andere Personen übertragen (ebenfalls bis ins 11. Jahrhundert zurückverfolgbar), "wollen klarstellen, dass die jeweils angesprochene Bildreliquie schon seit eh und je in Rom gewesen ist und dass niemand sonst als der Papst einen Rechtsanspruch auf sie anmelden kann" (Pfeiffer S. 47 ff.).
1011 weihte Papst Sergius dem "sudarium" einen Altar in der von Johannes VII. im Jahre 705 gebauten Kapelle im Petersdom. Die acheiropoíetos (in der latinisierten Aussprache acheropita) war offensichtlich zu diesem Zeitpunkt oder auch früher von der Capella Sancta Sanctorum des Lateranpalastes (wo es durch eine Kopie ersetzt wurde, abgebildet bei Pfeiffer Bild 10) in die Peterskirche übertragen worden.
1143 Erst 1143 wird zum ersten Mal überliefert, dass das Schweißtuch auch "Veronika" genannt wird (Pfeiffer nach Badde S. 133).
Im 12. Jahrhundert wird in den Otia imperialia des Gervasius von Tilbury das konkret beschriebene Bild des Herrenantlitzes, das "in der Peterskirche in der Nähe des Einganges rechts" aufbewahrt wird, mit der Veronikalegende in Verbindung gebracht (Pfeiffer S. 50 ff.).
1208 Ab 1208 gibt es auf Anordnung Papst Innozenz III. jährlich eine feierliche Prozession mit diesem Bild von St. Peter zum Hospital San Spirito in Rom (Badde S. 133). Der Wechsel in der Bezeichnung "Acheropita" (griechisch acheiropoíetos) in "Veronika" ist jetzt auch auf päpstlichen Ablassbriefen vollzogen. Eine Prachthandschrift in der Bibliotheca Vaticana zeigt Papst Innozenz III., wie er das in einen Rahmen gefasste Schleierbild zusammen mit der Bibel zeigt; ein bildlicher Beleg, der viel früher ist als der gedruckte Holzschnitt aus einem Pilgerführer "Mirabilia Romae" von 1475, der in der ZDF-Sendung gezeigt wurde. Von da ab gibt es viele Belege für die öffentliche Verehrung des Bildes bis zum Jahre 1601, wo die Veronika zum letzten Mal öffentlich in Rom gezeigt wurde, die man im Einzelnen bei Pfeiffer nachlesen möge (S. 50-63).
Die aufwendig durch teure Nachspielszenen bereicherten Bildsequenzen über die Veronica-Kamuliana- und Abgarlegenden sind unergiebig für die Herkunft des Schleiers von Manoppello, weil Legenden niemals den eigentlichen historischen Vorgang berichten, sondern für einen Gegenstand, dessen Beschaffenheit und Entstehung man sich nicht erklären kann, der aber so wichtig ist, dass man Besitzansprüche anderer abwehren muss, durch eine legendenhafte Erzählung erklärt und ausschmückt. Alle Reliquienlegenden sind nach diesem Muster gestrickt. Das lässt sich auch sehr deutlich beim Schleier von Manoppello verfolgen. Die älteste Nennung jeweils im Osten und im Westen begnügt sich mit der nüchternen Bezeichnung "nicht von Menschen gemacht". Erst im Bilderstreit kramt man den alten bereits verurteilten Abgarbriefwechsel aus und ersetzt ihn später durch die Veronikalegende (Vera eikon zusammengezogen zu Veronika).
Die dramatisch gestalteten Nachspielszenen von Sacco di Roma (06. Mai 1527) tragen nicht zur Erkenntnis der historischen Wahrheit bei und sind eher ein klassisches Beispiel für eine Legendenbildung in der Neuzeit. Die üblichen Handbücher der Geschichte gehen kaum auf die Einzelheiten der Plünderungen ein und stellen - mit Recht - die politischen und militärischen Gegebenheiten dar: Söldner seit Monaten ohne Sold, Ausfall der Führer Georg von Frundsberg, Karl von Bourbon durch Tod, Unmöglichkeit des Konrad von Bemelburg, die rasende Soldateska im Zaum zu halten - erst der Ausbruch der Pest macht dem ein Ende - so dass Ferrante Gonzaga, Graf von Guastalda, nachdem er Geld auftreiben konnte, um den rückständigen Sold zu bezahlen, die Truppen abziehen konnte für die weiteren militärischen Unternehmungen. Etwas genauer geht James Hankins in "Hochrenaissance im Vatican" 1503-1534 (Katalog der Ausstellung in Bonn 1998/99 S. 304 ff.) auf den Sacco di Roma ein: "Einigen -recht polemischen - Berichten zufolge "versteigerten" (die führerlosen Soldaten) das Schweißtuch der Veronica und trugen die heilige Lanze des Longinus zum Spott herum." Es wird aber nichts davon gesagt, dass sie aus dem Rahmen herausgenommen worden sei. Aus den Einzelbeschreibungen der Ausstellungsstücke (Nr. 105, 118, 121, 126, S. 468 ff.) ist zu entnehmen, dass die Soldaten wertvolle Bucheinbände (Edelmetall und Edelsteine) von Büchern des Vatican abtrennten, weil es ihnen hauptsächlich um Geldeswert ging, da sie seit Monaten ohne Sold waren. Wenn den in ganz Rom plündernden Soldaten die Veronica tatsächlich in die Hände gefallen sein sollte, so haben sie sie mitsamt dem Rahmen "versteigert", denn nur dessen Edelmetall konnte in Geldwert umgesetzt werden. H. Pfeiffer bezeichnet die zeitgenössischen Berichte über die Profanierung der Veronica als "hysterisches Gerücht, dem damals schon heftig widersprochen wurde" (Badde S. 140).
In seinem Brief vom 08. Mai 2007 schreibt Prof. Pfeiffer: "... Außerdem sollte offen bleiben, wann das Schleierbild aus Rom verschwunden ist. Es sprechen sehr gute Argumente dafür, wie Gaeta dargelegt hat, dass es bereits vom Sacco di Roma entwendet, aber dann in Hände des neuen Kommandanten der Truppe, ein d"Alencon, geraten ist (Saverio Gaeta, Il Volto del Risorto, Ed San Paolo 2005, S. 16-20). In seinem Buch L"Altra Sindone, La vera storia del volto di Gesù, stellt Saverio Gaeta die sich widersprechenden Quellen vor (S. 49-54) und gesteht, dass keine sichere Aussage möglich ist, ob bei den feierlichen Prozessionen vom Januar und Mai 1606 "il papa avesse maneggiato l"originale Volto Santo, o soltanto una sua replica fittizia, non è possibile dirlo con certezza".
Amüsant ist, wie bei der Darstellung des Sacco di Roma unbefangen mit der Wahrheit umgegangen wird. Es wird gesagt, dass Clemens VII. sich bemüht hat, den geraubten Kirchenschatz wieder zurückzugewinnen, wobei er auch Erfolg gehabt habe, aber die Veronica nicht zurückerhalten habe. Als Illustration für den wiedergewonnenen Kirchenschatz wird eine vergoldete Altargarnitur (= Altarkreuz und sechs Leuchter) gezeigt, die man schon auf den ersten Blick als spätmanieristisch einordnen kann.
Nun kann man ja nicht erwarten, dass ein Filmemacher über präzise kunstgeschichtliche Stilkenntnisse verfügt, aber man sollte doch erwarten, dass er wenigstens das Schildchen lesen kann, das diese Altargarnitur als Stiftung eines Adligen von 1585 ausweist, also 60 Jahre nach dem sacco di Roma. Dabei hat man geflissentlich das älteste Stück des Kirchenschatzes von St. Peter übersehen, das Kreuz, das Kaiser Justin II. (565-578) dem Papst geschenkt hatte und das auf der Rückseite zwei Christusmedaillons oben und unten am Kreuzesstamm zeigt, die eine auffallende Ähnlichkeit mit dem Schleier von Manoppello aufweisen. Über die Merkmale hinaus, die sich auch auf gleichzeitigen Ikonen und Mosaiken finden, weisen diese Medaillons zwei charakteristische Merkmale auf: der Haarbüschel in der Stirnmitte und die geschwollene Backe links, ein Merkmal, das sich auch auf der Vase von Emesa (Paris Louvre) findet. Das Rankenwerk sowohl auf dem Kreuz in St. Peter als auch auf der Emesa-Vase steht stilistisch ganz nahe, so dass beide der kaiserlichen Werkstatt in Konstantinopel zuzuordnen sind, wo die kaiserlichen Goldschmiede Gelegenheit hatten, das erst 574 nach Konstantinopel überführte Kamuliabild (= Schleier von Manoppello) genau zu betrachten und in ihrem Golschmiedewerk einzuarbeiten. (Hippocrates Media, Ommis Terra, DVD-Collection Papst Benedikt XVI. und das Volto Santo, Un film di Angelica Weber in tre parti Coproduttore: Klaus W. Eberhard ISBN 3-9810117-9-1, Deutsche Ausgabe 2006, zu beziehen direttamente al Santuario Volto Santo www.Lerra.de). Wenn man dieses Altarkreuz gezeigt hätte, dann hätte man ja die mehrfach von G. Wolf vorgetragene Zuschreibung des Volto Santo als flämische Malerei des späten 15. Jahrhunderts Lügen gestraft.
Tatsächlich wurde die Veronica völlig intakt in Rom nachweislich in aller Öffentlichkeit gezeigt 1533, 1536, 1550, 1575, 1580 und 1600, auch hochgestellten Persönlichkeiten, die sie von der Nähe aus genau betrachten konnten, 1525 und 1601, zum letzten Mal am 21. März 1601 dem ganzen Volke (Pfeiffer S. 54/55 und Pfeiffer nach Badde S. 140).
In der ZDF-Sendung wird als "Beweis", dass die echte Veronica seit dem Sacco di Roma in Rom nicht mehr vorhanden und durch heutige Attrappe ersetzt worden war, Martin Luthers Beschreibung, wie er sie in seinem 1546 erschienenen Tractat gegen das Papsttum beschreibt "Und ist dem nichts denn ein schwarz Bretlin, viereckt. Da hanget ein klaret lin für, darüber ein anderes klaret lin, welches sie auffzihen, wenn sie die Veronica weisen ...." Luther war 1510/11 im Auftrag seines Ordens in Rom, also vor dem Sacco di Roma, sah die Veronica weiß, eine Wirkung, die man heute noch so sehen kann in Manoppello, je nach den Lichtverhältnissen und dem dadurch bedingten Reflexionswinkel. Auf keinen Fall hat er die schwarze Attrappe, die seit Urban VIII. gezeigt wird, gesehen. Die ZDF-Sendung liefert sogar unbeabsichtigt einen bis jetzt unbekannten Beweis, dass die alte echte Veronica 1569 noch in Rom zu sehen war. Sie zitiert und zeigt im Bild eine Seite aus Giorgio Vasari "Le Vite De Piu Ecclesiasticé Architetti, Pittori Et Sculptori Italiani Da Cimabue Insino A"Tempi Nostri" Ausgabe 1568. Darin wird die Veronica in ihren materiellen Eigenschaften beschrieben: Byssus, doppelseitig bemalt und A. Dürer zugeschrieben. Nun ist allgemein bekannt, dass Vasari zwar ein guter Anekdotenerzähler ist, aber in der Zuschreibung von Kunstwerken unzuverlässig ist. Vasari ist ab 1546 in Rom nachweisbar, er hat also nach dem Sacco di Roma die echte Veronica gesehen und sie so beschrieben, wie sie seine Leser auch jederzeit nachprüfen konnten.
Prof. Pfeiffer korrigiert die Darstellung des ZDF wie folgt: "Vasari schreibt nicht von einer "Veronica", sondern von einem durchsichtigen Selbstportrait Dürers auf einem Tuche, das dieser Raffael gesandt, und das er, Vasari, im Raffaelnachlass bei dessen Schüler Giulio Romano in Mantua gesehen habe."
Die echte Veronika ist erst nach 1608 im Zusammenhang mit dem Abbruch der 900 Jahre alten, vollkommen intakten Kapelle des Petersdomes verschwunden und wurde 1628 zur Einweihung des neuen Aufbewahrungsortes in einem der Vierungspfeiler des neuen Petersdomes durch eine Attrappe ersetzt, für die ein neuer kostbarer Barockrahmen extra angefertigt wurde. Diese Attrappe wird von den wenigen Personen, die im Lauf von vier Jahrhunderten sie aus der Nähe zu Gesicht bekamen, als vollkommen schwarzes Leinen ohne irgendwelche erkennbaren Bildelemente beschrieben. Der westfälische Theologe Andreas de Wal hat sie 1892 mit Sondererlaubnis von der Nähe aus betrachtet und erkannte darauf "nichts mehr" (Badde S. 82). Der Präsident der historischen Kommission des Papstes, Prof. Brandmüller, Monsignore und Kanonikus des Petersdomes, hatte P. Badde gegenüber erklärt, dass er auf "gar keinen Fall" an das Bild herankäme, es lohne sich auch nicht, es seien fast nur Schatten zu erkennen (Badde S. 83), wovon sich P. Badde selbst nach erlangter Sondererlaubnis zur Besichtigung überzeugen konnte (Badde S. 272-279). Bei dieser Gelegenheit konnte er auch die Maße des inneren Rahmens der Goldabdeckung 32 x 20 Zentimeter vermessen und dabei feststellen, dass sie erheblich von den Innenmaßen (= Maße der Bergkristallscheibe) des alten gotischen Rahmens der "echten" Veronica, der heute leer in der Sakristei des Petersdomes verwahrt wird (in der ZDF-Sendung gezeigt), nämlich 24 x 17 Zentimeter, unterscheiden.
Der wirkliche Hergang, wie die echte Veronika zwischen 1608 und 1617 in Rom verschwunden und nach Manoppello gekommen ist und in Rom durch eine Attrappe ersetzt wurde, bietet mehr Stoff für eine Krimi-Story als die in der ZDF-Sendung dargebotene plumpe nachgestellte Szene eines angeblichen Raubes durch die marodierende Soldadeska beim Sacco di Roma und die nicht belegbaren Spekulationen des Saverio Gaeta. Die Einzelheiten möge man nachlesen bei P. Badde (S. 136-153) und H. Pfeiffer (S. 54/55 und 65-67 und Anmerkung 152). Hier genügt eine kurz gefasste Zusammenstellung der Fakten.
Vor dem Raub der echten Veronika hatte jedermann die Möglichkeit, die Veronika zu kopieren. Die genaueste sehr naturalistische Kopie hat der Meister von Flémalle (= Robert Campin) in sein ganzfigurig die hl. Veronika darstellendes Tafelbild eingearbeitet, das heute im Städel in Frankfurt bewahrt wird (Inv. Nr. 939). Es gab sogar eine Zunft der Veronikamaler in Rom. Ein Pictor Veronicae liegt auf dem Campo Santo, dem deutschen Friedhof neben dem Petersdom, begraben.
Die anatomisch genaueste Kopie scheint mir indessen im sog. Hoya-Missale, das vom Meister des Zweder von Culenborg um 1420 illuminiert wurde (Münster, Universitäts- und Landesbibliothek Ms. 41, gedruckt in: Kirchenschätze, 1200 Jahre Bistum Münster, Aschendorff Münster 2005 Bd. II S. 69). Drei charakteristische Merkmale, die man sonst nicht alle drei vereint auf Christusdarstellungen sieht: Haarbüschel in der Scheitelmitte, geschwollene Backe rechts, Durchsichtigkeit des Schleiers, dafür aber Fehlen eines anderen wichtigen Merkmals: Der Mund ist geschlossen.
1608 wird die Kapelle, in der bis dahin die Veronika bewahrt wurde, abgebrochen, damit die Ostfassade des Petersdomes gebaut werden konnte, und das Bild im Archiv verwahrt.
1617 liefert Paul V. an die polnischstämmige Kaiserin Konstanze in Wien eine erbetene Kopie aus, auf die er sie ein Jahr lang hatte warten lassen, weil nur Kanoniker sich dem Tresor nähern dürfen, wo der kostbare Schatz verwahrt wird. Schließlich aber habe "man einen passenden Kleriker gefunden, der mit dem ... (von ihm gemalten Bild) ... sehr zufrieden sei." (Badde S. 80/81) Auf diesem Portrait sind die Augen geschlossen, wovon man sich in der Wiener Hofburg überzeugen kann. "Das in Leinen ausgeprägte Antlitz ist mit vergoldeten Kupferplatten umkleidet, auf denen der Bann Pauls V. gegen denjenigen, der sich ohne päpstliche Erlaubnis eine Kopie des Schweißtuches herstellt, eingraviert ist, Die Inschrift ist 1617 datiert" (Wien, Geistliche Schatzkammer Nr. 147).
Gaeta ist, wie weiter oben gezeigt wurde, nicht sicher, ob bei der feierlichen Prozession von 1608 der Papst die alte echte Veronika oder eine Nachbildung in Händen hatte. Mir scheint das auf der Kopie von 1617 angebrachte mit Exkommunikationsdrohung versehene Verbot, eine Kopie von diesem Bild herzustellen, nur sinnvoll, wenn noch die Hoffnung besteht, dass die echte Veronika wieder zurückgewonnen werden kann, und damit eine Diskrepanz zwischen der echten Veronika und weit verbreiteten Kopien einer nur für private Andachtsübungen einer weit entfernten Königin hergestellten, offensichtlich nicht nach der originalen Veronika gemalten Christusikone offenbar würde. Der Sacco di Roma liegt schon 90 Jahre zurück, die letzte öffentliche Schau der Veronika gerade mal elf Jahre. Ein Verschwinden der Veronica kurz vor 1616 hält Gaeta durchaus für möglich. "pensare a una sparizione di poco precedente a questa data, magari avvenuta con il favore della confusione tipica di un cantiere in costante evoluzione, come era allora la ‘fabrica di San Pietro’. C’è però anche un’altra ipotesi."
1628 In der Hoffnung, auf diese Art die echte Veronika wieder zurückzuerhalten, erlässt Papst Urban VIII. am 29. Mai 1628 ein Edikt, in dem er unter Androhung der Exkommunikation bei Nichtbefolgung bestimmt, dass alle Kopien der römischen Veronika nach St. Peter in Rom zurückgegeben werden mussten. Ein Vergleich der gedruckten Inventare von 1618 (Jacobo Grimaldi) und 1635 (Francesco-Speroni) auf deren Titelseiten (Farbabbildung bei Badde) die Heiligtümer abgebildet sind, zeigt überzeugend den Wechsel. Während 1618 der Notar anscheinend aus der Erinnerung des noch nicht allzu lange verschwundenen Christusbildes einen Christuskopf mit den charakteristischen Merkmalen der echten Veronika zeichnet, hat der Notar im Jahre 1635 keine Erinnerung an dieses Bild mehr und zeichnet ein Christusbild mit geschlossenen Augen, ungeteiltem Bart ohne herabfallende Haare.
1628 wurde die Veronica feierlich aus dem Archiv in den Veronikapfeiler des Petersdomes übertragen, wo sie - wie in der ZDF-Sendung gezeigt - noch heute einmal jährlich vom Balkon in ca. 30 Metern Höhe aus gezeigt wird. Der spätgotische erbrochene Rahmen ist heute noch vorhanden. Ein Dieb hatte offensichtlich kein Interesse am Materialwert eines Kunstgegenstandes. Er musste auch Zugang zum Archiv gehabt haben, und das ohne Gewaltanwendung an den Türen. Zudem fällt ein vorhandener aber leerer Rahmen bei der routinemäßigen Benutzung eines Archives weniger auf als ein fehlendes Objekt. So konnte der Diebstahl zunächst unbemerkt bleiben, bis 1616/17 Konstanze in Wien um eine Kopie bat.
1638 hat ein Dr. Donato de Fabritiis den Volto Santo, der ihm 1618 von Maria Leonelli für vier scudi verkauft worden war, den Kapuzinern von Manoppello geschenkt. Einer der Patres, Donato da Bomba, stellte ab 1640 Nachforschungen an und hielt sie in einer Relazione Historica fest, die 1646 zusammen mit der Schenkungsurkunde öffentlich verlesen und notariell beglaubigt wurde. Die von der Verkäuferin dem Käufer erzählte Vorgeschichte ihres Besitzes mutet wie eine Hehlerlegende an, die heute einen Bürger verpflichten würde, bei einem solchen Angebot die Polizei zu benachrichtigen. Aber anscheinend hatte man kein Interesse daran, der Sache genau auf den Grund zu gehen, da seit dem Dekret Urbans VIII. von 1628 bei Strafe der Exkommunikation die Verpflichtung bestand, alle in letzter Zeit angefertigten Kopien der Veronika in Rom abzuliefern. So glaubte man bereitwillig, was die Verkäuferin erzählte. Angeblich war das Bild seit 1506 (also 21 Jahre vor dem Sacco di Roma!) über 100 Jahre in Familienbesitz, und sie hätte es erben sollen, aber ihr Bruder habe es nicht herausgegeben, deshalb habe es ihr Mann vor zehn Jahren (= 1608! = Abbruch der Veronicakapelle des alten Petersdomes) geraubt. Sie brauche jetzt dringend vier scudi, um ihren Mann aus dem Gefängnis loszukaufen, der in Chieti einsitze. So war man in Manoppello aus dem Schneider, denn ein seit 1506 in Familienbesitz befindliches Bild konnte ja nichts mit der in Rom zwischen 1608-17 verschwundenen Veronica zu tun haben.
Wer den echten Volto Santo zwischen 1608 und 1617 aus dem Archiv von St. Peter geraubt hat und mit wessen Beihilfe das geschehen konnte, wird nie zu ermitteln sein. Genauso wird es nicht möglich sein, genau zu rekonstruieren, durch wen und mit wessen Beihilfe dieses Bild 695 aus Konstantinopel entwendet werden konnte und 705 in Rom nachweisbar sich befindet. In beiden Fällen hatten die neuen Besitzer kein Interesse daran, den Hergang aufzuklären oder, wenn sie ihn wussten, zu veröffentlichen, weil sonst die Vorbesitzer Rechtsansprüche auf Rückgabe angemeldet und auch durchgesetzt hätten. Auf diesem Grund sind auch die Legenden zu verstehen als Schutzbehauptung, dass man schon seit eh und je im Besitz des Bildes ist. Dabei schreckte man nicht davor zurück, längst als apokryph verurteilte Legenden hervorzuholen. Die dem Bild unterlegten Legenden machen noch etwas deutlich: Die Verschleierung eines dubiosen Besitzüberganges zeigt, dass man dem Objekt einen großen Wert beilegte. Reliquienraub war im Mittelalter nichts Ungewöhnliches. Selbst einer geraubten (!) Reliquie maß man noch Heilwirkung zu. Kaiser Barbarossa hat 1164 bei der Eroberung von Mailand die Leichname der drei Könige geraubt und sie seinem Kanzler, Rainald von Dassel, dem Erzbischof von Köln, geschenkt. Bei der Eroberung von Konstantinopel 1204 beim "lateinischen Kreuzzug" wurden die geraubten Reliquien offiziell verteilt, und damit auch genug zu verteilen war, war bei Todesstrafe und Exkommunikation verboten, sich privat irgend eine Reliquie anzueignen, woran sich aber der Räuber des Turiner Grabtuches nicht gehalten hat, weshalb er seinen Raub auch lange Zeit in Frankreich verstecken musste (M.G. Siliato, Und das Grabtuch ist doch echt, Pattloch 1998, S. 219-259). Der Volto Santo von Manoppello konnte als Bild nur deshalb als Reliquie betrachtet werden, weil seine sichtbaren Eigenschaften sich deutlich von anderen gemalten Bildern so sehr unterschieden, dass es nicht von Menschen gemacht sein konnte. Die Eigenschaften des Bildes haben sich ja nicht verändert. Was heute trotz der modernen technischen Mittel der Vermessung unerklärlich bleibt, war den Menschen der Antike genauso unerklärlich. Die außergewöhnlichen Eigenschaften dieses Bildes wurden damals durch Legenden erklärt. In der ZDF-Sendung wurden sie durch fragwürdige Experimente und falsche Fragestellung wegerklärt.
Zugegeben, das erste sichere Datum, die feierliche Überführung des Bildes von Kamulia in die Reichshauptstadt im Jahre 574, lässt eine Lücke von fünfeinhalb Jahrhunderten bis zurück zum Tod Jesu. Das besagt aber nicht, dass das Bild erst in der zweiten Hälfte des 6. Jahrhunderts entstanden ist. H. Pfeiffer hat minutiös nachgewiesen, dass die Christusdarstellungen maßgeblich von der Christusdarstellung des Volto Santo von Manoppello abhängen, auch wenn aus den ersten drei Jahrhunderten nur wenige Beispiele erhalten sind. Nimmt man aber dazu die Nachricht des Irenäus (Bischof von Lyon, verstorben 202), dass die Karpokratianer, eine gnostische Sekte, in der Mitte des 2. Jahrhunderts Christusbilder in Form von Gemälden und Skulpturen verehrten, die nach einer Gestalt geschaffen seien, die in der Zeit des Pilatus - so das griechische Original - angefertigt worden sei, so ist das ein Hinweis, dass es um diese Zeit bereits ein Bewusstsein vom Vorhandensein eines authentischen Christusbildes gab aus der Zeit des Pilatus (= Datumsangabe) und das zu einer Zeit, als die Kirche selbst noch keine Bilder anfertigte, sondern sich in den Katakomben mit Symbolen begnügte. Mehr können die historischen Wissenschaften zur Aufklärung des Sachverhaltes nicht beitragen, aber das ist erheblich mehr, als die ZDF-Sendung beigetragen hat.
Die Naturwissenschaften können bei sorgfältiger und nicht durch Vorurteile belasteten Untersuchung Entscheidendes beitragen zur Beantwortung der Frage, ob die ursprüngliche Bezeichnung des Schleiers von Manoppello als nicht von Menschenhand gemachtes Bild zu Recht besteht oder nicht. Eine Frage und deren Beantwortung, die Deckungsgleichheit des Volto Santo von Manoppello mit dem Sindone von Turin, ist in der ZDF-Sendung korrekt dargestellt. Die andere Frage, ob eine Bemalung der Muschelseide durch Menschenhand auszuschließen ist, wurde in der ZDF-Sendung nicht korrekt behandelt und dargestellt, wie ich weiter oben im Einzelnen ausgeführt habe. Es kann ja auch in der Naturwissenschaft der Fall eintreten, dass man auf ein Phänomen stößt, das man nicht erklären kann, weil mögliche Erklärungsversuche alle falsifiziert worden sind. Dann erfordert es die Redlichkeit, dies auch zuzugeben. Das ist immer noch besser als künstlich nach vorgefasster Meinung die Fakten so zurechtzubiegen, dass schließlich das bereits zu Beginn der Sendung formulierte Ergebnis in dem "Moment der Wahrheit" bestätigt wird.
Ich habe in einer den Rahmen einer Zuschauerzuschrift überschreitenden Analyse der ZDF-Sendung "Das Wahre Bild Christi" vom 06. April 2007 auf die ganz erheblichen Schwächen dieser Sendung aufmerksam gemacht, weil es mir nicht darum geht, irgendein Statement abzugeben, das dann nach einem bestimmten Schlüssel der Meinungsbefragung in Zuschauerquoten und Zustimmungsquoten umgerechnet wird, weil es mir um die objektive Information der Zuschauer durch die öffentlich rechtlichen Fernsehanstalten geht, die Anrecht auf sachliche Information und nicht auf Verwirrung haben.
Das am 13. Oktober 1988 veröffentlichte Ergebnis der Untersuchung des Gewebes des Turiner Grabtuches nach der C14-Radiokarbonmethode, dass das Turiner Grabtuch eine Fälschung aus dem 14. Jahrhundert sei, hat weltweite Forschungen angeregt. Inzwischen ist erwiesen, dass diese Untersuchungen unter falschen Bedingungen durchgeführt worden waren und deshalb zu falschen Ergebnissen führen mussten. Als weiteres Ergebnis steht jetzt zweifelsfrei fest, dass das Negativabbild durch Dehydrierung des Leinens entstanden ist und keinerlei Farbpigmente auf dem Tuch feststellbar sind. Die Fakten dieses Phänomens sind abgesichert. Aber eine Erklärung dafür hat man nicht. Jeder Erklärungsversuch ist bis jetzt gescheitert, weil nicht alle Phänomene in die jeweils formulierte Hypothese passen.
Es kann ja sein, dass die unzulängliche ZDF-Sendung ebenfalls zu intensiverer Forschung anregt, so dass ein ebenso abgesichertes aber nicht erklärbares Rätsel am Ende dabei herauskommt. Es würde dem ZDF gut anstehen, als Vorreiter ein wissenschaftlich abgesichertes Ergebnis zu präsentieren. Deshalb habe ich mir die Mühe gemacht, eine derart detaillierte Analyse, deren Veröffentlichung an geeigneter Stelle vorgesehen ist, Ihnen zuzuschicken.
Mit freundlichem Gruß
Dr. Helmut Pflüger
Prof. Pfeiffer schrieb mir am 08. Mai 2007: "Es ist noch schlimmer als Sie denken; das ZDF hat Professor Fanti Dinge in den Mund gelegt, die er nie gesagt hat. M.E. sieht er zwar unnötigerweise Unterschiede zum Grabtuch, die Sie gut widerlegen. Von Malerei hat er nie gesprochen und hält das Christusbild eindeutig für ein acheiropoíetos. ... Unglücklicherweise hat er von "Pigmenten" gesprochen und meinte damit jeden mikroskopisch kleinen Partikel, der auf den Fäden zu finden ist. Niemand vom Fernsehen, der beim Minikongress in Manoppello dabei war, verstand genügend Italienisch. So konnten kühn falsche Behauptungen aufgestellt und falsche Schlussfolgerungen gezogen werden."
Zwei andere Teilnehmer (s. Blandina Schlömer und Paul Badde) berichteten mir mündlich unabhängig voneinander:"Prof. Fanti sagte: "Es sind Pigmente zu sehen. Es könnten Farbpigmente sein, es können genauso gut materialfremde Pigmente sein. Das Bild ist nicht von Menschenhand gemacht." Später haben die Teilnehmer noch einmal die gleiche Stelle angeschaut und nichts mehr gefunden. Auch auf der gleichen Stelle auf der Rückseite war nichts zu finden." Dies alles wurde vom ZDF nicht gezeigt! Es ist nicht meine Aufgabe zu untersuchen, was das ZDF Prof. Fanti alles unterstellt hat - da mag er sich selbst dagegen wehren. Hier kommt es nur darauf an, die Falschbehauptungen des ZDF zu widerlegen. Erstaunlich bleibt die Tatsache, dass die Produktionsfirma Tellux, eine m.W. von der Deutschen Bischofskonferenz unterhaltene Firma, einen eindeutig tendenziösen Film, der vor Unterstellungen nicht zurückschreckt, statt einer sachgemäßen Information zustande gebracht hat.