Andere "Grabtücher"

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Die noch existierenden Sudarien aus dem Grab Jesu

Das Sudarium von Oviedo

Seit dem 7. Jahrhundert wird in Spanien ein Sudarium aus dem Grab des Herrn verehrt, das direkt aus Jerusalem auf dem Weg über Alexandrien in Ägypten und Nordafrika auf die iberische Halbinsel gelangt ist.

Der Patriarch von Jerusalem hat es vor dem persischen Heer in Sicherheit bringen wollen. Zunächst in Toledo aufbewahrt kam es später nach Oviedo, das vom Pilgerweg nach Santiago di Compostella aus gut m erreichen war. In den mittelalterlichen Wallfahrtsliedern vom Jakobusweg heißt es, dass jeder der nur nach Santiago di Compostella geht, zuvor aber nicht "El Salvador" besucht, zwar den Knecht ehrt, nicht aber den Herrn. Das Tuch wurde immer als heiligste Reliquie angesehen und verehrt. Doch erst in den Neunziger Jahren arbeitete eine Forschergruppe daran, dieses blutgetränkte Tuch von 84 x 53 cm Größe näher zu untersuchen und mit dem Grabtuch von Turin zu vergleichen. Dabei kam man zu überraschenden Ergebnissen. Die Blutgruppe ist wie im Turiner Grabtuch die Gruppe AB. Ferner sind im Tuch Spuren von Aloe und Dornenspitzen nachgewiesen.

Das Tuch wurde auf das Antlitz des Gekreuzigten gelegt im ersten Moment der Kreuzabnahme. Dabei bedeckte es gefaltet das Gesicht und der Rest des Tuches wurde um den Kopf herumgewickelt, soweit es möglich war, denn der Kopf hing vornüber nach rechts und die Schulter verhinderte ein vollständiges Einwickeln des Kopfes. Ein Knoten oben über dem Kopf fixierte das Tuch in etwa. Man findet aber Abdrücke der zwei Finger einer Hand, die offenbar Nase und Mund umschloss, um das bei den Bewegungen aus den Lungen austretende Blut und Serum aufzufangen. Die Forscher gehen deshalb davon aus, dass das Tuch während des ganzen Prozesses der Bestattungsvorbereitung immer in derselben Position geblieben ist.

Die "Sainte Coiffe" (Hl. Haube) von Cahors

Dafür spricht auch eine andere Reliquie, die heute noch in Cahors in Frankreich aufbewahrt wird und unter dem Namen "Heilige Haube" bekannt ist. Diese Haube hat wohl als eine Art Kinnbinde für eine völlige Fixierung des ersten Sudariums gesorgt. Der Kopf des Gekreuzigten wurde also ehrfürchtig als erstes bedeckt und eingehüllt. Dann erst ging man daran, die Nägel zu lösen und den Leichnam abzunehmen. Wegen des vergossenen Blutes durfte auch dieser nur mit Tüchern bedeckt berührt werden. Man hat sehr wahrscheinlich eine erste "Sindone" benutzt, ein großes Leintuch, um den blutüberströmten Körper des Toten nicht direkt anzufassen. Im weiteren Verlauf der Tuchbestattung wurden dann 30 kg viskoser Aromastoffe, d. h. drei 10 Liter Eimer, um den Körper herum verteilt, sehr wahrscheinlich mittels saugfähiger Mullkompressen oder ähnlicher Verbandstoffe und Binden, bis ein ordentlich aussehendes Paket entstand, das dann noch verschönert wurde.

Das Sudarium von Cornelimünster

Zu dieser "Verschönerung" muss einmal das Sudarium von Comelimünster gerechnet werden, das der Tradition nach aus dem kostbarsten Gewebe der Antike, aus Muschelseide, besteht und die beachtliche Größe von 3,50 x 6 m aufweist. Kaiser Karl der Gr. hat es vom Patriarchen von Jerusalem persönlich als "Sudarium aus dem Grab des Herrn" geschenkt bekommen. Es wird in 16 Lagen gefaltet aufbewahrt und behält seine Transparenz. Nähere Untersuchungen stehen noch aus.

Die Authentizität dieser Reliquie wird unter anderem auch von der Tatsache gestützt, dass in der syrischen Liturgie am Karfreitag heute noch das Kreuz behutsam in ein gazeähnliches Tuch gewickelt wird, bevor man es in einer Wandnische bestattet. Die Karfreitagsliturgien haben vieles Ursprüngliche behalten und aus der ersten Zeit der Kirche in unsere heutige Zeit hinübergerettet.

Der Schleier von Manoppello

Das andere und letzte Sudarium ist der Schleier von Manoppello mit dem lebendigen Antlitz Christi. Er ist auch aus Muschelseide und war wohl wie ein Taschentuch gefaltet, bevor man ihn dem Herrn auf das Antlitz legte, denn er zeigt feinste, quer und senkrecht verlaufende, helle Linien, die immer als Stofffalten gedeutet worden sind, in ältesten schriftlichen Dokumenten (Thaddäusakten) wie in vielen Veronikaabbildungen des Mittelalters. Wie das riesengroße Sudarium von Cornelimünster galt wohl auch der sehr kleine Schleier von Manoppello dem Messias-König. Es waren Ehrerweise begüterter Jünger oder Jüngerinnen des Herrn, die bei der Bestattung anwesend und beteiligt waren und ihre Liebe und Ehrfurcht ausdrücken wollten.

Jüdische Bestattungsriten und Reliquien vom Ostermorgen

Ein Sudarium unter und eines über der Sindone widerspricht keineswegs den jüdischen Bestattungsriten, auch nicht die Kinnbinde. Es wurden in jedem Fall eine ganze Reihe Tücher verwendet, da ja der zum Tod am Kreuz Verurteilte keine eigenen Kleider mehr hatte und Jesus außerdem in der Geißelung blutig geschlagen war. Auch wenn uns der Gedanke an mehrere "Grabtücher" zunächst fremd erscheinen mag, so ist ihre Existenz doch gut bezeugt und aus dem Zusammenhang heraus auch durchaus logisch und verständlich. Die eigentliche Frage ist nicht, ob mehrere Tücher überhaupt authentisch sein können, es geht eher darum, wie sie einander zuzuordnen sind, in welcher Reihenfolge sie gebraucht wurden. Für mich persönlich bin ich zu diesem Ergebnis gekommen und ich habe kein großes Problem, mir die Situation am Ostermorgen vorzustellen: Da lag die leere Hülle, wie ein entleerter Schmetterlingskokon, im Gegensatz zu diesem aber völlig geschlossen, wegen der großen Länge von 2 Metern flach zusammengesunken. Aber da wo der Kopf Jesu gelegen hatte, erhob sich noch dessen runde Form, das Schweißtuch, jenes "über der Sindone", hatte seine einhüllende, rundliche Form behalten, weil es von unten bzw. von innen her durch das andere Schweißtuch, jenes "unter der Sindone", das blutdurchtränkte und getrocknete, wie von einer Form aus steifem Papier getragen wurde. Die "Haube1' bzw. Kinnbinde hat ihrerseits zu der noch runden Form des oberen Schleiers beigetragen. Der Evangelist Johannes berichtet von den "liegenden" Grabtüchern im Gegensatz zu der erhöhten Position des Schweißtuches, "da wo der Kopf Jesu gelegen hatte". Jüdische Bestattungsriten und Evangelienberichte widersprechen sich in diesem Punkt nicht.

Waren die Tücher aber tatsächlich in dieser Reihenfolge um den toten Leib Christi herum angeordnet? Welche Indizien gibt es für eine solche Anordnung?

Im zweiten Teil meines Buches habe ich über die Entsprechungen zwischen Grabtuchantlitz und Schleierbild gesprochen und zehn sogenannte Kongruenzpunkte aufgezeigt. Dies war eine willkürliche Auswahl von unzähligen solcher "Kongruenzpunkte beim Vergleich Sindone/Schleier. Jeder Punkt im Schleier entspricht einem ganz bestimmten Punkt im Antlitzbild der Sindone, die Position ist vollkommen fixiert. Kann es aber im Fall des blutdurchtränkten Tuches überhaupt exakte Entsprechungen geben? Ich kann nicht sagen, dass ich damit gerechnet habe. Im Gegenteil es schien mir vollkommen unwahrscheinlich, überhaupt irgendetwas Entsprechendes ausmachen zu können, als ich zum ersten Mal eine Reproduktion des Sudariums von Oviedo und eine Dokumentation darüber in Händen hatte. Nach einigem Eingewöhnen in die verschiedenen Fleckengruppen des Sudariums und nach einiger Zeit des Studiums der in den Büchern wiedergegebenen Zeichnungen zum Verhältnis Turin/Oviedo machte ich den ersten Versuch des Übereinanderlegens , (ich legte einfach Manoppello so über die Blutflecken, wie die Sindonologen Turin darauf gelegt hatten. Da entdeckte ich auf einmal, ähnlich wie ganz im Anfang beim Vergleich mit Turin, geometrische Formen, Parallelogramme, Dreiecke, die genau die gleichen Flächen zu haben schienen, und auch Flecken schienen sich zu entsprechen. Ich dachte, dass es wohl optische Täuschungen seien. Je länger ich aber diese Flecken und geometrischen Formen in ihrer Position und Eigenart studierte, desto deutlicher wurde ihr Zusammenhang. Es traten auch horizontale Streifen hervor, die ebenfalls in beiden Sudarien zu erkennen waren, und nicht nur das. Auch im Grabtuch ließen sich dieselben quer verlaufenden Streifen identifizieren. Ich dachte immer noch, es kann gar nicht sein. Erst muss ich von Oviedo die Originalgröße erfragen. Inzwischen habe ich die Maße bekommen und die Bilder mehrfach, ja immer wieder neu im Photoshop und auch mit Folien übereinander gelegt. Dabei stellte sich heraus, dass im mittleren Bereich des Gesichtes, da wo Nase und geschwollene Oberlippe etwas herausragen und die Hand das Tuch gegen das Gesicht gepresst hat, nicht nur unregelmäßige Blut- und Serumflecken zu sehen sind, sondern sich auch ganz präzise Verletzungen und Dorneneinstichstellen abgebildet haben, da das Tuch immer in derselben Position gehalten wurde. In diesem mittleren Bereich lassen sich verhältnismäßig leicht 10 Kongruenzpunkte ausmachen, die für eine Präsenz des Oviedotuches "unter der Sindone" sprechen und auch unter dem Schleierbild, und die der These der Oviedosindonologen widerspricht, die annehmen, dass das Schweißtuch abgenommen wurde, als man den Leichnam in die Sindone einhüllte. Abgesehen davon, dass ein Bluttuch, das bereits am Karfreitag zusammengefaltet an einem getrennten Ort im Grab deponiert wurde, am Ostermorgen für den Apostel Johannes, der ja bei der Bestattung dabei war, nicht ein Zeichen für die Auferstehung des Herrn sein konnte, sprechen auch die präzisen Gemeinsamkeiten der drei Tücher dafür, dass sie miteinander, eines eng am ändern haftend, den selben Augenblick der Bildentstehung "gesehen"" haben. Warum aber auf dem ersten Sudarium, dem "unter der Sindone", keine Bildspuren zu sehen sind, sondern nur echte Abdrücke von blutigen Verletzungen, im zweiten Tuch, der Sindone, das Negativbild eines Toten zu erkennen ist, im darüber liegenden dritten Tuch, dem Byssusschleier, jedoch eine Art Diapositivbild des Lebenden bzw. des wieder Lebenden, mit anderen Worten des Auferstandenen, zurückgeblieben ist, diese Frage lässt sich menschlich und wissenschaftlich nicht beantworten. Es dürften wissenschaftlich gesprochen ja gar keine Bilder hier entstanden sein. Aber sie existieren doch. Und eines davon ist noch dazu das fotoähnliche Bild eines lebenden Menschen, der - nach dem Zeugnis eines Augenarztes - lange Zeit in großer Dunkelheit eingeschlossen war und in den ersten Kontakt des Lichtes kommt. Es ist ein Lebender mit den Zeichen derselben Passion, wie sie im Gesicht des Toten des Turiner Grabtuches abzulesen ist und wie sie ebenfalls im Sudarium von Oviedo aufs Deutlichste wieder zu erkennen ist. Wenn die Wahrscheinlichkeit, dass es sich bei dem Toten des Turiner Grabtuches um den gekreuzigten Christus der Evangelien handelt, auf l :200 000 000 000 berechnet wurde, dann wird die Wahrscheinlichkeit, dass das Schleierbild den vom Tod auferstehenden Christus darstellt, diese astrale Ziffer noch um ein Vielfaches übersteigen, wenn man die unendliche Vielzahl von Entsprechungen zwischen den Verletzungen der drei so sehr unterschiedlichen "Grabtücher" in die Berechnungen mit einbezieht. Dem sicheren Tod ist noch niemand entkommen. Hier aber offenbar doch. Die Botschaft zwingt nicht. Es ist eine Einladung. Ich darf ihr glauben.

Sr. Blandina Schlömer

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