Untersuchung des Volto Santo von Manoppello mit dem Raman-Mikroskop

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Wie einem, aus Kroatien vielleicht,
der kommt, um unsere Veronika zu sehen,
und sich mit ihrem alten Ruhme nicht begnügt,

vielmehr, bis sie gezeigt wird, bei sich selber spricht:
"Mein Herr Jesus Christus, wahrer Gott,
ist das nun wirklich dein Gesicht?"

So ging es mir ...

(Dante Alighieri, Die Göttliche Komödie: Das Paradies, 31. Gesang, 103-108, Übersetzung: Gerd Hagedorn)

[1 ] Erklärung Raman

Am 30. April 2007, nach dem Zustrom der Gläubigen zur Kirche in Manoppello, sind einige zerstörungsfreie Untersuchungen mit Hilfe der Raman-Mikroskopie am Volto Santo ausgeführt worden. Die Analyse ist vor Ort gemacht worden, ohne das Bild aus der Kirche zu entfernen und ohne die Schutzverglasung abzunehmen. Einleitend sind einige Stellen identifiziert worden, die bereits Forschungsgegenstand von Kollegen anderer wissenschaftlicher Disziplinen und mit anderen zerstörungsfreien Verfahren gewesen sind.

Eine Prüfung mit der Wood-Lampe mit zwei Wellenlängen hat keine Fluoreszenz von Seiten der Oberfläche des Bildes ergeben. Nur an einigen Stellen zeigten sich sehr feine Partikel von weiß-blauer Fluoreszenz. Das Fehlen von Fluoreszenz bürgt für die Abwesenheit organischer natürlicher Stoffe wie Öl, Fett und Wachs.

Mit Hilfe eines digitalen Mikroskops (Digital blue QX5) sind bei 10-facher, 60-facher und 200-facher Vergrößerung einige Details des linken Auges, des rosa Flecks an der Seite des linken Auges, des Teils oberhalb des Mundes und des unteren Gewebestreifens, der ganz rechts außen einen Glassplitter enthält, untersucht worden. Bei geringen Vergrößerungen sieht man deutlich die regelmäßige Webart, und es zeigen sich keine erheblichen Unregelmäßigkeiten. Bei stärkeren Vergrößerungen werden vereinzelte kleine, rundliche Fragmente sichtbar, während das, was im ersten Moment als Farbe eines makroskopisch ziemlich ausgedehnten Bereichs erschien, sich praktisch als eine leichte Tönung der Fasern erweist, die sich von der der natürlichen Faser unterscheidet, die nämlich goldglänzend erscheint wie Seidenfäden. Dasselbe Aussehen hat die Faser einer Probe von Byssus, die Chiara Vigo zur Verfügung gestellt und kürzlich, vom Naturprodukt ausgehend, verarbeitet hat. Es ist keine vorbereitende Schicht vorhanden wie bei den Malereien auf Leinwand, und es zeigen sich keine Farbpartikel wie bei den genannten Gemälden. Es zeigen sich auch keine Partikel, die zum Teil die Maschen des Gewebes bedecken, wie bei der aus der sogenannten Technik der "Pflanzensäfte" entwickelten Malerei, die dennoch dem Gewebe eine teilweise Transparenz belässt.

Alle Messungen mit der Raman-Mikroskopie sind von derjenigen Seite des Schleiers ausgeführt worden, die oben auf dem Reliquiar das Symbol der Allerheiligsten Dreieinigkeit hat. Die Feinheit des Schleiers erlaubte aber auch, von der Gegenseite her den Strahl des Lichtes und des Lasers zu sehen, wenn sie optimal fokussiert waren.

Bei der Untersuchung wurde ein tragbares konfokales[2] Mikroskop S 633 der Firma Jobin-Yvon verwendet. Es ist mit einem Laserstrahl von 633 nm ausgestattet, mit einem Objektiv auf Fluoritbasis für weite Entfernungen von 50x, das es erlaubt, die Oberfläche des Schleiers an dem gewünschten Punkt zu fokussieren, auch hinter dem Panzerglas. Die Voraussetzungen waren optimal aufgrund der Stabilität des mit optischen Glassfasern versehenen Sensors, aufgrund der Aufstellung des Instrumentariums auf dem Boden sowie der schwach eingestellten Beleuchtung, die die Aufzeichnung eines Grundspektrums erlaubte, das nicht zu intensiv und ohne spezifische Bestandteile in Form von zählbaren Wellen war.

Unter den aufmerksamen Blicken der Anwesenden und auf ihren Rat hin, was die Identifizierung der zu analysierenden Stellen betrifft, wurden genauestens die Bereiche festgelegt, in denen ein Punkt fokussiert werden und der rote Laserstrahl ausgesandt werden sollte, um dann das Signal der Raman-Streuung auffangen zu können. Es ist immer das Objektiv 50x benutzt worden, wodurch man stets mit einer 500-fachen Vergrößerung arbeitete. Bei dieser Vergrößerung können Teilchen in der Größenordnung von einigen Mikron fokussiert werden, und man kann deren Spektrum auf ganz einfache Weise erhalten.

Es wurden zahlreiche Spektren aufgezeichnet, wobei mehrfach der Beobachtungspunkt neu fokussiert wurde um sicherzustellen, dass der Messpunkt immer an der festgelegten Stelle lag: vor dem Auffangen des Signals und danach, um jedes Abweichen vom fokalisieren Punkt verifizieren zu können.

An den analysierten Stellen sind einige Spektren aufgezeichnet worden entsprechend der folgenden Liste:

M 1 Rand des oberen Schneidezahns
M 2 Weiß des oberen Schneidezahns
M 3 Rosa der Unterlippe
M 4 Rosa der Unterlippe
M 5 Rosa der Unterlippe
M 6 Umgebung der Pupille des linken Auges
M 7 Weiß des linken Augapfels
M 8 Pupille des linken Auges
M 9 Pupille des rechten Auges
M 10 Rosa Blutfleck an der linken Schläfe
M 11 Kastanienbrauner Fleck auf der Nase
M 12 Schwarz des Haarbüschels auf der Stirn

Alle ermittelten Spektren an den verschiedenen Punkten werden in der untenstehenden Grafik dargestellt. Man beobachtet das Fehlen einer diffusen Fluoreszenz, weshalb die Spektren sich präzise mit einer guten Signal- bzw. Geräuschwiedergabe präsentieren, gut eingegrenzt, mit einem guten Verhältnis zwischen dem Signal und dem Rauschen und nur mit einigen schwachen und breiten Zonen mit der selben Wellenzahl.
Es sind beim Vergleich keine Spektren bekannter Substanzen festgestellt worden, die – nach allgemeinem Kenntnisstand – in der Vergangenheit bei irgendwelchen Maltechniken Verwendung gefunden haben. Spezifische Raman-Ausschläge von Substanzen, die man üblicherweise auch bei spätantiken Miniaturen findet, wie Zinnober, Bleiweiß, Indigo und Kohle, gibt es nicht. Das Fehlen von Zinnober scheint uns insbesondere von Bedeutung, weil mit dem hier verwendeten Laser dieses für gewöhnlich angezeigt wird, auch wenn es nur in Spuren vorhanden sein sollte. Sämtliche Spektren zeigen nur die Beschaffenheit der Faser an, die aus Eiweiß besteht. Die Spektren ähneln denen, die man normalerweise mit diesem Laser bei Pergament erhält, einem anderen tierischen Eiweiß, das sich lange Zeit hält.

An dieser Stelle ist es notwendig, weitere Überlegungen über die möglichen Gründe für das Fehlen von Spektralkomponenten bei der Serie der analysierten Punkte vorzubringen. Es könnte sein, dass die Oberfläche mit löslichen Farben pflanzlicher oder tierischer Herkunft gefärbt gewesen wäre, also aus organischen Stoffen bestünde, wobei aber eine Technik verwendet worden sein müsste, die es erlaubt, unterschiedliche Farben an den verschiedenen Stellen des Antlitzes zu erhalten. Diese Technik müsste die Möglichkeit bieten, das Tuch so zu färben, dass es die Nuancen Schwarz, Braun, Weiß, Rot, Rosa und Grau erhält, wobei sie an anderen Feldflächen die natürliche Färbung der Faser belassen haben müsste. In diesem Fall hätten nur solche Materialien verwendet werden dürfen, die kein wie auch immer geartetes Raman-Spektrum liefern. Es ist bekannt, dass viele organische Farbstoffe keinerlei Raman-Spektrum mit dem roten Laser von 633 nm liefern, aber einige andere werden sofort angezeigt, wie Indigo, Krapprot, Purpur und auch Kohle. In diesem Fall würde das bedeuten, dass diese Farbstoffe also nicht auf der Oberfläche des Schleiers vorhanden sind. Die Farbstoffe jedoch, auch wenn sie nicht bestimmbar sind, verursachen die Erscheinung auf dem Grund des Gewebes, die die Gesamtstruktur des Spektrums als ziemlich verschieden von der der Faser als solcher wiedergibt.

Eine solche Fluoreszenz war bei keinem der aufgenommenen Spektren vorhanden. Die Farbstoffe hätten außerdem mit einem Haftmittel auf die Oberfläche der Fasern aufgebracht werden müssen, andernfalls hätten sie sich als ziemlich unbeständig erwiesen und wären nach einigen Jahrzehnten vom Licht ausgebleicht worden. In diesem Fall könnte die Feststellung von metallischen Spuren auf der Oberfläche der Fasern mit Techniken wie der Röntgenbestrahlung, ebenfalls ein zerstörungsfreies Verfahren, die Anwendung von Techniken, die Haftmittel für die Färbung verwenden. Dieses Verfahren könnte auch, bei Vorhandensein von Chlor-, Natrium- und anderen Ionen, die Herkunft des Schleiers aus dem Meer anzeigen.

Das Schutzglas scheint kein Problem darzustellen, da es durchlässig ist für den roten Laserstrahl und auf leichte Weise die Fokussierung mit Hilfe des besonderen Objektivs aus Fluorit erlaubte.

Ein anderer Grund für die mangelnde Aufzeichnung der Spektren von Farbstoffen könnte sein, dass auf Grund des hohen Alters des Tuches die vorhandenen Farben so weit verblasst sind, dass sie nur noch einen Schatten unterschiedlicher Tönung an den verschiedenen Messpunkten hinterlassen haben. Weiter könnte es sein, dass das zur Ausführung des Werkes angewandte Verfahren eine Aufbringung von Farbstoff in sehr geringer Konzentration erlaubt hat, die unterhalb des für seine Identifizierung mit dieser Technik notwendigen Minimums lag.

[1] Ch. V. Raman war ein indischer Physiker, der 1888-1970 lebte, über Atom- und Molekularphysik arbeitete und 1930 den Nobelpreis für Physik erhielt für die Entdeckung des Raman-Effekts (1928). Der Raman-Effekt bezieht sich auf eine Erscheinung bei der Streuung monochromatischen Lichts an Molekülen, wonach im gestreuten Licht außer der Frequenz V des einfallenden Lichtes auch schwache sog. Ramanlinien mit den wenig verschobenen Frequenzen V, ±, € auftreten. Die Frequenz € entspricht dabei der Energie einer Eigenschwingung oder einer Rotation des Moleküls. Der Effekt wurde von A. G. S. Smekal theoretisch vorausgesagt und von Ch. V. Raman experimentell nachgewiesen.

[2] Konfokal = mit gleichen Brennpunkten

Prof. Pietro Baraldi
(Abteilung Chemie der Universität Modena und Reggio Emilia,
Via G. Campi, 183; I-41100 Modena)

Wir danken Herrn Pfarrer Gerd Hagedorn herzlich für die Übersetzung aus dem Italienischen!